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Baskische Separatisten im Gegenwind

Zahlreiche Festnahmen und interner Streit schwächen die bewaffnete Organisation ETA/ Anti-ETA-Stimmung im Land wächst/ Politische Gruppierungen rücken zusammen/ Verhandlungen mit der Regierung sind erst nach den Wahlen absehbar  ■ Aus San Sebastian Antje Bauer

Das behäbige Bürgerhaus in San Sebastian ist eine gute Tarnung. Weder seine roten Läufer im herrschaftlichen Eingang noch die namenlosen Klingeln lassen vermuten, daß hier Herri Batasuna, politischer Arm der baskischen ETA, ihren Parteisitz hat. Doch hinter der schweren hölzernen Wohnungstür liegt eine Schleuse aus Panzerglas — man weiß sich zu schützen. In den letzten Wochen sind zahlreiche führende ETA- Mitglieder festgenommen worden, und bei Herri Batasuna macht man sich Sorgen.

„Die Dinge sind jetzt komplizierter als zuvor. Die Festnahmen in Iparralde (französisches Baskenland) und auch die politische Situation im Staat stärken diejenigen, die Verhandlungen zwischen der Regierung und der ETA feindlich gegenüberstehen“, erläutert Floren Aoiz, frisch gewählter Sprecher der Koalition. Seit Anfang diesen Jahres habe es keine Gesprächsversuche der Regierung mit der ETA mehr gegeben, sagt er. Und angesichts möglicher vorgezogener Parlamentswahlen im Herbst sei die Möglichkeit von Verhandlungen zur Zeit gering, zumal die rechte „Volkspartei“ (PP) die wachsende Anti-ETA-Stimmung im Lande zu nutzen weiß.

Dennoch zweifelt er nicht an der Richtigkeit der ETA-Strategie. Auf die zahlreichen toten Kinder und das verstümmelte dreizehnjährige Mädchen angesprochen, die Opfer von ETA-Attentaten wurden, antwortet der junge, schüchterne Aoiz: „Wir tragen nicht mehr Verantwortung für den Tod eines Kindes als (Regierungschef) Felipe Gonzalez. Die Verantwortung dafür, daß die ETA mit Gewalt antwortet, hat der, der von Anfang an eine grundsätzliche Gewalt anwendet.“

Aoiz gilt als einflußreiche Persönlichkeit in Herri Batasuna. Seine Gruppe KAS hat sich bei den jüngsten Wahlen für die Leitung der Koalition Herri Batasuna durchgesetzt. Diejenigen, die eine Aufgabe des bewaffneten Kampfs zugunsten parlamentarischer Arbeit befürworten, sind aus dem Führungsgremium verschwunden.

Die ideologische Härte der neuen Führung gehorcht jedoch mehr einem Bedürfnis, die Reihen zu schließen, denn einer verstärkten Homogenität. Seit einiger Zeit kracht es bei den radikalen Abertzales (Nationalisten) in den Fugen. Das Scheitern der Gespräche zwischen der ETA und der spanischen Regierung vor drei Jahren in Algerien hat den mehr als 500 gefangenen Etarras die Hoffnung genommen, auf absehbare Zeit aus dem Knast zu kommen.

Die Verlege-Politik des Justizministers und die Möglichkeit, Hafterleichterungen zu bekommen, haben den ehemals homogenen Block der Gefangenen aufgefächert. Zwölf Gefangene hätten „sich selbst aus dem Kollektiv ausgeschlossen, da sie um Hafterleichterungen ersucht hätten“, erklärt Josu Barela von den Gestoras pro Amnistia, einer Organisation, die nach außen Solidaritätsarbeit für die Gefangenen macht und nach innen als ideologischer Druckfaktor wirkt.

Auch draußen ist die Situation der ETA nicht eben einfacher geworden. Am 29.März wurden im südfranzösischen Bidart drei Mitglieder ihrer Führung festgenommen, darunter Francisco Mugica Garmendia, „Artapalo“, angeblicher Koordinator der Gruppe, und Jose Maria Arregui „Txelis“, angeblicher Ideologe. Ende April folgte die Festnahme des mutmaßlichen ETA-Financiers Sabino Euba „Pelopintxo“, als er sich gerade von Paris nach Mexiko absetzen wollte, vor wenigen Tagen folgte eine erneute Razzia in Südfrankreich.

„Die ETA ist in einer schwere Krise“, vermutet der Politologieprofessor Gurutz Jauregui. Niemand glaubt freilich ernsthaft, die bewaffnete Organisation sei allein mit polizeilichen Mitteln zu besiegen. Die baskischen Bischöfe seien bereit, zu vermitteln, kündete der Bischof von San Sebastian, Setien, am Mittwoch an, und der Regierungspräsident des Baskenlands, Jose Antonio Ardanza, versicherte, die „Demokratie werde großzügig sein“, falls die ETA die Waffen niederlege.

Ein Versuch, neben den Peitschenschlägen der Verhaftungen auch ein Zuckerbrot zu zeigen, mag die jüngste Einigung im Konflikt um die geplante Autobahn von Pamplona nach San Sebastian sein. Gegen die Autobahn, die durch das einzige noch nicht zersiedelte Tal des Baskenlands führen sollte, hatte sich 1986 eine Bürgerinitiative gegründet, der sich zwei Jahre später zahlreiche HB-Mitglieder eingliederten. Seit 1989 ruhen die Bauarbeiten, da die ETA mehrere Anschläge darauf ausgeübt hatte, bei denen drei Arbeiter starben. Im vergangenen Sommer hatte ein Sprecher der BI mit den Behörden eine Kompromißtrasse ausgehandelt, die zwar ebenfalls durch das Tal führte, jedoch auf etwas kürzerer Strecke. Der Kompromiß konnte zunächst aufgrund heftiger politischer Proteste nicht durchgesetzt werden. Ende April wurde diese Variante überraschend vom Parlament von Guipuzkoa mit den Stimmen der sozialistischen Partei und der konservativen Nationalistischen Partei (PNV) verabschiedet.

Während die Umweltschützer stocksauer reagierten, stießen HB- Mitglieder mit Sekt an. Die konservative „Volkspartei“ zetert, ETA habe einen Gratis-Sieg errungen und droht seither, den Antiterrorismuspakt zu verlassen, der seit Jahren die politische Isolation von Herri Batasuna zum vorrangigen Ziel baskischer Politik gemacht hatte. In Kürze wollen Vertreter von HB und dem PNV politische Gespräche miteinander aufnehmen. So werden Kanäle geschaffen für eine künftige Lösung des Konflikts. Wann sich die abzeichnen könnte? Vielleicht nach den Wahlen, meint Floren Aoiz.

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