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Basiskarrieristen

■ Die Berliner AL wählte ihre Bundestagsabgeordneten

Die Berliner AL zeichnet sich seit langem dadurch aus, daß sie ihre heiligen linken Inhalte eher als geistige Scheuklappen begreift denn als Positionen zur Auseinandersetzung. Bei der Wahl der Berliner Abgeordneten für den Bundestag blieb sie sich selbst treu. Dabei ging es um mehr als nur um die Kandidatenkür. Auch nach der Überzeugung der AL sollte die Arbeit von Christian Ströbele im Innenausschuß und in Sachen Wiedergutmachung fortgeführt werden, eine Arbeit, die Engelszungen und Ellbogen, die den politischen Redner fordert. Mit der Wahl wurde dieser Anspruch verhöhnt. Reden können alle vier Kandidaten/innen nicht, nicht aus Mangel an Begabung, sondern weil sie es für ausreichend halten, den Jargon ihres Vereins abzusondern. Linientreue, Gesinnungsmuff und Berechenbarkeit wurden honoriert. Peter Sellin wurde gewählt, weil er mit blassem Fleiß eben zum alternativen Milieu gehört. Ellen Olms wurde gewählt, weil sie sich erfolgreich nach oben gesessen hat. Der Peruaner German Meneses wurde gewählt, weil er Ausländer war und ansonsten die richtige Gesinnung hatte. Ein richtiger Skandal war die Wahl von Siggi Fries. Eine Karrieristin, die sich in Berlin damit qualifizierte, daß sie in Bayern wegen Petra Kelly keinen Listenplatz erhalten hatte. Es reichte, sich als linkes Opfer rechter Tendenzen darzustellen. Und: wiewohl ich Udo Knapp, Mitarbeiter von Ströbele, schätze, bin ich dennoch der Meinung, daß er der einzige Knadidat war, der politisch, provozierend und selbständig argumentierte. Das sah eine bedeutende Minderheit der AL auch so. Er wurde immerhin nur mit wenigen Stimmen geschlagen. Der Skandal begann aber vorher: AL–Politiker hatten längst schon die negative Kandidaten–Auslese beklagt. Sie haben es jedoch hingenommen. Diese Metropolen–Partei verkriecht sich immer mehr in ihrem eigenen Milieu. Sie ist ausgerechnet die provinziellste Partei in der grünen Szenerie, ein Fall für Szene–Ethnologen. Die linke Intelligenz in Berlin hat sie aufgegeben und wird dafür sicherlich bei der nächsten Wahl bezahlen müssen. Mit der AL stirbt immerhin eine politische Möglichkeit. Nichts wäre nötiger als ein Signal, daß die Partei offen ist für Widerspruchsgeist, Debattenlust und individuellen Mut. Diese Wahl aber ist ein Signal für Sklerose und Basiskarrierismus. Die AL mag glauben, korrekt links gewählt zu haben, faktisch hat sie Parasiten der öffentlichen Hand gewählt. Bestenfalls wird man von diesen Abgeordneten nichts hören. Nicht auszudenken wäre die Situation, daß die Grünen aus dem Bundestag verschwinden. Dann wäre diese Berliner Delegation die grüne Stimme, der Bote der „anderen Republik“ - ein bundesweiter Lacherfolg. Klaus Hartung

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