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Barbaren-Bilderbogen

■ Lesung von Jutta Heinrich: Männliche Gewalt ist nicht krank, sondern männlich

Neue Männer braucht das Land auf alle Fälle nicht. Die hat es nämlich schon zur Genüge. Sie morden und plündern wie niemals zuvor – heute in Bosnien, morgen in Ruanda probieren sich die „neuen Männer“ ganz unverhohlen als Fremdenlegionäre in ihrer neuen Männlichkeit. Sie werfen Brandsätze in Asylbewerberheime oder werden schon als Kinder zu Kindermördern.

„Trau keinem unter dreißig!“ lautet der Arbeitstitel eines Essays von Jutta Heinrich, die Auszüge ihres noch nicht erschienenen Neuwerks am Mittwoch auf Einladung des „Arbeitskreises Feministische Politik“ an der Bremer Uni vorstellte. Die feministische Schriftstellerin aus Hamburg nahm sich den Veränderungen, den neuen Männlichkeiten in Deutschland, vor allem seit Beginn der Ausländerattacken an. „Der gigantische Barbarenbilderbogen“ las die Hamburgerin, „ist mir nun so unheimlich präsent, daß ich das Gefühl nicht loswerde, in einer Zeitmaschine rückwärts angekommen zu sein.“

Darin waren sich Jutta Heinrich und ihr Publikum einig: Hinter der erschreckenden Zunahme von Gewalt – ob in verrohten „Kriegen“ oder vor unseren eigenen Haustüren – liegt eine stille Übereinkunft der „zivilisierten“ Gesellschaft mit der Gewalt. „Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen“, so Jutta Heinrich, „es geht um die Öffnung auf eine Einsicht, was sich in diesem Geschichtsbeben am schmerzhaftesten offenbart: Die Angst des Mannes vor dem Mann, daß er in seinen Augen kein richtiger Mann ist, und der unbewußte Haß auf den Mann, daß er seine Lebendigkeit verachten muß. Und wenn Frauen auf diese beängstigende Offenbarung aus Angst, Feigheit und Aussichtlosigkeit weiterhin in den Beleidigungen ihrer eigenen Geschichte gefangenbleiben, dann wird ihnen das Schicksal zuteil, das den Generationen davor widerfuhr, im Schutze einer Intimität Schuldige zu werden, die ihre dumpfe Ohnmacht nur im Mitläufertum und in einer hinterrücksen Heldenstützung aushalten konnten.“

Dreierlei Verzichtserklärungen forderte die Schriftstellerin ihren HörerInnen ab: Das Phänomen dieser neuen Männlichkeiten, der „geklonten Jungmännlichkeitswahne“, dürfe nicht bloß dem faschistischen Spektrum zugewiesen werden. Lieber werde eine Bedrohung von rechts beschworen, rechtsextreme Auswüchse als pubertäre Erkrankungen abgetan, als männliches Gewaltpotential generell zu analysieren.

Aber auch die Familie, der Erklärungsbrunnen schlechthin für jungmännische „Fehlleitungen“, hat ausgedient. Die Familie sei längst zu einem „aufwendigen Hohlkörper“ geworden, „der die einzige Wirkung darin zeitigt, daß sie gänzlich ihre Einwirkung verloren hat und kaum mehr zur Verfügung stellt als eine Schutzbehausung, in welchem die heranwachsenden Ungeheuer ihrer fremdartigen Mutation entgegengehen.“

Zuletzt sei das Phänomen der neuen Männlichkeiten, die Ausbildung prügelnder Horden in Hoyerswerda oder Rostock, ein für sich stehendes. Und so müsse es auch behandelt werden. Heinrich: „Den verunsicherten Ursachenforschern wird das Unappetitlichste dämmern, daß diese perfekten Klonungen eines Verbundes der Männlichkeiten auf alle Fälle eines verabscheuen: menschliche Originale!“ Daher sei es wichtig, „Patriachat und Männer davon geschieden zu diskutieren, um diese aufklaffende Gefahr analysieren zu können.“ André Hesel

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