■ NOCH 3360 TAGE BIS ZUM JAHR 2000: Bankbesuche in Israel
Jede Legende geht einmal zu Ende“, kommentierte wehmütig ein israelischer Rundfunksprecher die Verhaftung des berühmtesten israelischen Bankräubers „Ofnobank“. 19 Monate hatte der Mann dem ganzen Land gezeigt, wie man Banking einfach macht: Zwischen zehn und elf Uhr betrat er, den Kopf unter einem Motorradhelm versteckt, eine Bank, zückte seine 38er Smith and Wesson, raubte den der Tür am nächsten gelegenen Schalter aus, feuerte einen Schuß in die Decke und entschwand auf einem schnellen Feuerstuhl. Straßensperren und Hubschrauber trickste er locker aus. In mehr als einem Dutzend israelischer Städte war er 22 mal mit diesem einfachen Schema erfolgreich. Besonders ertragreich waren die Überfälle allerdings nicht. Er kam nur auf insgesamt 300.000 Schekel (umgerechnet rund 230.000 Mark). Aber das war auch das Geheimnis seines Erfolges. Denn Ofnobank (Ofno = hebr. Motorrad) war nicht gierig, Saftey first lautete seine Devise. Damit war der Räuber der Gewinner, die Gendarmen gingen leer aus. Die Polizei versuchte ihre Unfähigkeit zu kaschieren, indem sie von einem „besonders intelligenten Täter“ sprach, vor dessen Künsten man „hohen Respekt“ habe. Die israelische Bevölkerung amüsierte sich köstlich über das Katz-und-Maus-Spiel. Wegen seiner Fähigkeit, der Polizei immer wieder zu entwischen, war Ofnobank schnell zu einer mit wohlwollender Sympathie betrachteten Person geworden. Berichte über seine Bankbesuche liefen im Fernsehen zur besten Sendezeit, Zeitungen versuchten in ganzen Artikelserien seinen geheimnisvollen Wegen zu folgen. Raum für Mutmaßungen und Gerüchte gab es genug. So wurde spekuliert, der Dieb hätte wahrscheinlich eine militärische Ausbildung oder er sei ein Polizist oder gar ein Geheimdienstmann. Alles falsch, wie sich jetzt herausgestellt hat. Die Polizei verhängte nach der Verhaftung zwar sofort eine Nachrichtensperre, Bilder und Hinweise auf die Identität des Profi-Bankers durften nicht veröffentlicht werden, aber es sickerte durch, daß Ofnobank ein 37jähriger verheirateter Mann aus einer „sehr wohlhabenden“ Industriellenfamilie ist, der das Geld dringend brauchte, um sich eine Traumvilla in einem Vorort Telavivs zu bauen. Wenn jetzt die israelischen Medien das Ende von Ofnobank und seiner auflagensteigernden Wirkung beklagen, ist das nur die halbe Wahrheit, denn die Legende wird weiter leben: Schon bald werden die Taten des Räubers im Kino zu bewundern sein. Karl Wegmann
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