: Bangladeshs Diktator wird Präsident
■ Heute läßt sich der oberste Kriegsrechtsverwalter Ostbengalens zum zivilen Staatsoberhaupt wählen / Opposition stark zersplittert 12 zumindest unbekannte Oppositionelle kandidieren gegen Ershad / Agitation gegen Ershad und Wahlboykott sind verboten
Aus Dacca Michael Nebelung
Wie wird das geplagte Bangladesh seinen Diktator los? Ganz einfach: auf einer seiner zahlreichen Reisen in Sachen „südasiatische Staatengemeinschaft“ irrt sich Hossain Mohammed Ershad in der Flugroute. Anstatt auf den idyllischen Malediven (einem Mitglied des SAARC–Verbundes) landet er auf den ebenfalls im indischen Ozean gelegenen Andamanen, einer ehemaligen indischen Verbrecherkolonie. Eine Rückkehr ist unmöglich, das Problem ist gelöst. So beschrieb jüngst eine bengalische Zeitung den Abgang des ungeliebten Herrschers von Kriegsrechts Gnaden. Doch die Satire wird wohl frommer Wunsch bleiben: Inzwischen ist das Blatt verboten, und General H.M. Ershad sitzt fester denn je im Sattel. Kein Zweifel auch, wer die heute stattfindenden ersten Präsidentschaftwahlen seit 1981 gewinnen wird: General H.M. Ershad. Der oberste Kriegsrechtsverwalter, der im März 1982 durch einen unblutigen Putsch an die Macht kam, hat aus der kurzen Geschichte seines Landes als eigenständiger Staat vor allem gelernt, wie man politisch überlebt. Ein beträchtliches Maß an volksnaher Rhetorik überdeckt oberflächlich Korruption, Mißwirtschaft, die Aufblähung des Militär– und Sicherheitsapparates und die oft wenig volksnahe Verwendung der Entwicklungshilfemilliarden. Geldgeschenke und Einpeitscher der von ihm ins Leben gerufenen Jatiyo–Partei sorgen dafür, daß Ershad stets vor“ begeisterten Massen“ sprechen kann und diverse geschickt über die Jahre verteilte Urnengänge gaben dem Regime im Ausland Schritt für Schritt ein zivileres Image. Der Legitimationsprozess begann mit einem Referendum im vergangenen Jahr, wurde mit den Parlaments– und Kommunalwahlen im vergangenen Mai fortgesetzt und soll mit dem heutigen Urnengang vollendet werden. Mit wieviel Einschüchterung und Betrug läßt sich ein für das Ausland gerade noch akzeptables Ergebnis produzieren? lautet das Leitmotiv für diese Veranstaltungen. Wie die gewünschten Ergebnisse zustandekommen, beschrieb ein Betroffener anläßlich der Nachwahlen in acht Wahlkreisen Ende August, die alle mit einem Sieg der Regierungspartei Jatiyo endeten: „Es war selbst für einen Eingeweihten erstaunlich, mit welcher Dreistigkeit die Jatiyo–Partei in den Wahlbüros vorging. Hatte jemand für einen Oppositionskandidaten gestimmt, so stempelte man mindestens ebenso viele Stimmzettel mit dem Zei chen des eigenen Kandidaten. Niemand kann geheim abstimmen, Polizisten und Militärs beobachten, wie die Stimmzettel ausgefüllt werden, abgetrennte Wahlboxen gibt es nicht. Ein Freund vor mir traf auf erstaunte Gesichter, als er seine Stimme abgeben wollte, denn es hatte bereits jemand in seinem Namen die Regierungspartei gewählt, - kein Wunder, denn es gibt keinerlei Ausweisdokumente, die man vorzeigen muß. Mir selbst wurde von Wahlhelfern mit grossen Stöcken bedeutet, daß es angenehmer sei, für Jatiyo zu stimmen. Wenn die Bemühungen trotzdem nicht fruchteten, holten sie einfach die abgestempelten und ausgefüllten Stimmzettel aus dem Schrank und stopften sie zu den echten in die Box“. Taktiker Ershad Wie kommt es, daß sich ein solches Spektakel durchziehen läßt, ohne einen Aufschrei der Empörung zu produzieren? Die Wahlbeteiligung liegt extrem niedrig, z.B. 20 Prozent bei den Wahlen im Mai und nur 1 bis 2 Prozent bei den jüngsten Nachwahlen. Ferner ist die Opposition hoffnungslos zersplittert. Zur Zeit konkurrieren mindestens 70 Parteien miteinander, darunter nicht wenige, deren Präsident das einzige Mitglied ist. Bei den heutigen Präsident schaftswahlen gibt es 12 Gegenkandidaten zu Ershad, die jedoch mit Ausnahme eines ehemaligen Putschführers alle unbekannt sind. Überdies haben Teile der Opposition sich einiges an Glaubwürdigkeit verscherzt, als sich die sozialdemokratisch orientierte Awami Liga Hasina Wajeds mit der Acht–Parteienallianz (eines der größten Sammelbecken) am Vorabend der Maiwahl entschloss, trotz aller Unregelmäßigkeiten teilzunehmen. Die taktisch kluge Ankündigung Ershads, alle Kandidaten müßten sich bis zum 17. September registrieren lassen, liess der Opposition keine Zeit für gemeinsames Handeln. Im Militär hat Ershad durch eine geschickte Personalpolitik über die Jahre alle potentiellen Gegner ausgeschaltet oder neutralisiert. Nachdem er die Putschisten und Mörder seines Vorgängers Zia ur Rahman abgeurteilt hatte, verhinderte er systematisch alle Machtkonzentrationen ausserhalb seiner Reichweite. Potentielle Rivalen wurden auf Nebenposten oder ins Ausland versetzt. Zu seinem persönlichen Schutz baute er eine Prätorianergarde mit umfassenden Machtbefugnissen auf. Solcherart abgesichert konnte Ershad es sich sogar leisten, am 30. August formell seinen Abschied aus dem Militär zu nehmen, um sich ganz seiner Kandidatur und dem Vorsitz der Jatiyo– Partei zu widmen. Das verbessert das Image und beläßt trotzdem die entscheidenden Ämter des Oberbefehlshabers der Streitkräfte und des Obersten Kriegsrechtsverwalters in seiner Hand. Denn die von allen Oppositionsparteien geforderte Aufhebung des Kriegsrechts vor der Wahl stand für den Möchtegern– Präsidenten vorsichtshalber nicht zur Disposition. So haben denn diesmal alle großen Oppositionsblöcke (Awami–Liga, BNP mit der Fünfzehn–Parteienallianz und die fundamentalistische Jamaat–e– Islami) zum Wahlboykott und Generalstreik aufgerufen. Wer allerdings dabei erwischt wird, Front gegen Ershad zu machen, riskiert sieben Jahre Knast. Mit Wirkung vom 4.Oktober entschied der Diktator, daß jeder sich strafbar mache, der zum Wahlboykott aufruft oder in Versammlungen oder Demonstrationen gegen die Wahl seiner Hoheit Stellung bezieht. Die beiden Oppositionsführerinnen Hasina Wajed und Begum Khaleda Zia von der BNP stehen unter Hausarrest, zahlreiche Kader sind verhaftet oder untergetaucht. Wie sagt Ershad so schön: „Die Präsidentschaftswahlen sind die letzte Phase bei der Wiederherstellung der Demokratie.“
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