berliner szenen: Bananen billiger
Insidertipp im Neonlicht
Mittwochmorgen um halb zehn in der Krankenhauscaféteria des Martin-Luther-Krankenhauses in Wilmersdorf. Der Regen fällt gegen die Fenster, zwei Krankenwagenfahrer in roten Westen mit aufgebügeltem Namensschild nehmen ihr Frühstück ein: Kaffee, Brötchen, eingeschweißte Konfitüre und ein Ei.
Beim Kauen unterhalten sie sich über Krankenhausschließungen, welche Stationen jetzt wohin verlegt werden, welche Ärzte Mist sind, die Stationsschwestern, etc. Insidertipps aus dem Neonlicht verborgener Krankenhausflure. Am Nebentisch sitzt ein Mann im Jogginganzug vor einem Glas Bier, schaumlos wie eine Urinprobe. Er scheint vor allem hier zu sein, um zu gucken. Die Kassiererin im grünweiß gestreiften Hemd hat gerade Kaffeepause und blättert in der neuen aktuell über „Boris & Barbara: Der bittere Abschied! Wie die Neue alles zerstörte“. Kreuzworträtsel sind da auch drin. Hinter der Kasse steht ein Korb mit „Obst zum Tagespreis“. Ein Apfel kostet heute 0,25 Euro, eine Banane 0,45 Euro. Billiger als im Supermarkt, vielleicht sollte man hier einkaufen.
Dann kann man die jungen Ärzte anschauen, die sich einen Multivitaminsaft holen, mit Gummisohlen unter den weißen Schuhen. Am Automat drückt ein Mann im korrekten hellgrauen Anzug samt sorgsam gebundener Krawatte die Taste „Filterkaffee“. Langsam läuft ein dünner wässriger Strahl in die Tasse. Ich solle besser auf die Taste mit dem Doppeltassensymbol drücken, bemerkt er wissend. Er trinke hier wohl öfter Kaffee, erwidere ich und denke dabei an einen bedauernswerten chronisch Kranken, der vielleicht schon seit Jahren hier lebt. „Ich bin der Geschäftsführer in diesem Laden“, sagt er beim Weggehen.MAXI SICKERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen