: Balten gemeinsam gegen den Kreml
■ Lettland, Litauen und Estland erarbeiten eine „gemeinsame Haltung“ gegenüber der Sowjetunion / Boykott-Auswirkungen geringer als befürchtet / 15. Mai: Streik in Lettland
Paris (afp/taz) - Die drei baltischen Länder Litauen, Estland und Lettland wollen demnächst eine „gemeinsame Haltung“ gegenüber der Sowjetunion vereinbaren. Das erklärte der litauische Präsident Vytautas Landsbergis am Donnerstag in einem Interview der Pariser Zeitung 'Liberation‘. Nach seiner Auffassung mußten Litauens „Nachbarn“ nicht erst von Vilnius dazu überredet werden, sich auf den Weg der Unabhängigkeit zu begeben. „Sie wurden durch die Logik der Situation dazu getrieben, sich uns anzuschließen.“ Letten und Esten seien bereits wirtschaftliche Sanktionen angedroht worden.
Für Litauen, das vor kurzem eine zehnprozentige Verringerung der Fleischlieferungen an die UdSSR beschlossen hat, hat sich die Wirtschaftsblockade nicht so stark ausgewirkt, wie befüchtet. Doch für manche Ökologen hat die Blockade auch etwas Gutes mit sich gebracht. Die meisten Litauer lassen nun die Autos stehen und fahren mit dem Fahrrad.
Landsbergis schloß in dem Interview keine der angedrohten Konsequenzen aus, auch nicht die militärische Intervention. Immerhin sei „der Kreml nicht mehr Moskau“. „Erst heute wieder haben wir den Besuch demokratischer Abgeordneter des Moskauer Sowjets erhalten, die uns ihre Unterstützung zugesichert haben“, berichtete der litauische Präsident.
Unterdessen hat der Vereinigte Rat der russischen Arbeiterschaft Lettlands zum 15. Mai einen politischen Streik ausgerufen. Das lettische Fernsehen berichtete zwar, bisher hätten sich nur wenige Belegschaften dafür ausgesprochen, den Streik zu unterstützten. Doch der Rat der russischen Arbeiter in Lettland sieht in einem Streik der russichen Arbeiter in Estland ein Beispiel dafür, wie die Republikführung zur Rücknahme von für die russische Einwanderungsbevölkerung negativen Gesetzen gezwungen werden kann. Im Juli vorigen Jahres mußte Estland ein Wahlgesetz revidieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen