piwik no script img

Balsam für den Körper

■ Florian Trümbach gießt Stefan Hoenerloh

Ein Keller, düster und niedrig, mittelgroß. Romantische Musik, auf halber Geschwindigkeit abgespielt, verstärkt die okkulte Atmophäre. Von der Decke hängen zwei kleine Neonröhren, ein Diaprojektor strahlt in die Mitte des Raumes, wo eine Liege steht: graue Stahlfüße, grüner Plastikbezug. Auf ihr liegt ein Mann, nackt, bis auf einen Lederslip. Dieser Mann wird vom Künstler mit Butter eingeschmiert, in Frischhaltefolie gewickelt, mit flüssigem Wachs übergossen und mit Blut, Blumen und Glitter verziert werden, bis er nur noch durch einen Kunststoffschlauch atmen kann.

Die dreistündige Aktion schlägt die 20 Zuschauer, die bis zum Schluß bleiben, völlig in ihren Bann. Währenddessen wandeln sich der Künstler und sein Modell zu Meister und Sklave und schließlich zu Opfer und Priester. Ein kleines Geweih nimmt den Platz des Herzens ein, die Wachshülle wird aufgeschnitten, und das Modell steht, wiedergeboren, vor uns.

Das war im Oktober 1989. Der Künstler, Florian Trümbach, ist 28 Jahre alt. Seit seiner ersten Ation im Fisch-Büro vor fast drei Jahren hat er sich und andere mit Glassplittern, Milch, Blut und Eiern überschüttet, hat Kuhschädel und Fische in Giesharz konserviert und, wie auch schon zuvor, aus Müll jeder Art Objekte gemacht. Trümbach bringt Feuer und Blumen, Liebesperlen und Tierkadaver zusammen und verbindet das Schreckliche mit dem Kitschigen auf eine besondere Art, die seine Zuschauer kaum gleichgültig lassen kann.

Denn in seinen Aktionen und Objekten zieht Trümbach etwas ein, ohne das auch jeder Mensch nur halb wäre: Das »Verbotene«, das Überflüssige, den »verfemten Teil«. Trümbach nahm vor Jahren an Hermann Nitschs »Orgien-Mysterien-Theater« teil, und wie bei Nitsch die Akteure und deren Erfahrungen im Mittelpunkt stehen, wendet sich Trümbach weniger an die Zuschauer als an sich selbst, verfehlt seine Wirkung dennoch nicht.

Die heutige Aktion ist seine 22. Nachdem es in Kreuzberger Künstlerkreisen schon fast zum guten Ton gehört, sich von Trümbach einbalsamieren zu lassen, ist heute der Maler Stefan Hoenerloh an der Reihe. Die Musik dazu, aufwendiger als früher, wird von Gerd Pasemann, Mitstreiter Marianne Enzensbergers, an Ort und Stelle gemacht, unter Verwendung von Musikcollagen Hoenerlohs. Außerdem sind eine Woche lang Objekte und Relikte früherer Aktionen von Florian Trümbach zu sehen. Marc Förster

Aktion und Ausstellung in der Galerie Neue Räume, Lindenstr. 39 in 1-61; die AKtion beginnt um 21 Uhr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen