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Balladentrulla und Tüfteltanz

■ Sneaker Pimps machen da weiter, wo Neneh Cherry stockt

Es geht natürlich um Männer. Und um Frauen. Neneh Cherry hebt auf ihrem neuen Album Man mit dem Song „Woman“ an und stellt damit James Browns „It's A Man's World“ auf den Kopf, indem Frauen gleich die ganze Welt zugeschrieben wird. Doch dann geht's doch wieder hinein in das altbackene Frauenkonzept im Soul. Der „Trouble Man“ bringt ein bißchen Unordnung in die Weiberwelt, die inniglich auf die Erlösung durch den Manne wartet, der die Cherry in „Carry Me“ dann durch die Landschaft tragen wird.

Das alles wird natürlich in die Form der Ballade gegossen. Während Neneh Cherry in ihrem doppeldeutigen Hit „I've Got You (Under My Skin)“ Liebe von der Aids-Epidemie bedroht sah und zuletzt auf Homebrew (1992) die allzu direkte Emotionalität sparsam einstreute, geht es nun voll in die Gefühlsduseligkeit. So schrammt sie auf Man nur knapp an der Balladentrulla von der Stange vorbei.

Wenig ist von dem Charme auf Homebrew übriggeblieben, als „das Mädchen von der Straße“ als frischgebackene Mutter ihr Baby dazu aufforderte, doch einen Moment still zu sein, sie müsse gerade mal einen Song aufnehmen. New Mutterkonzept included.

Noch weniger blieb von dem verqueren Eklektizismus ihrer ersten Formation Rip Rig & Panic übrig. Zu selten beschleunigt sie die Sätze zu dem unaufgeregten Rapstil, der ihr Markenzeichen wurde. Allein auf dem lustvollen „Hootchie“ grätscht einmal eine Gitarre dazwischen. Doch auch das klingt nur wie eine fade Reminiszenz.

Natürlich ist bei Neneh Cherry nicht alles der Ödnis anheimgefallen. Immerhin bei ihrer Zusammenarbeit mit Tricky funkelt für einen Moment die alte Qualität der Exil-Schwedin auf, auf korrekte Art Stimmungen zu filtern. Die seltene Gelegenheit, Neneh Cherrys blonde Haarsträhne zu beäugen, sollte man aber nicht zuletzt wegen ihrer Vergangenheit nicht vorbeiziehen lassen.

Auch weil mit den Sneaker Pimps eine Formation ins Vorprogramm gebucht wurde, die da weiter macht, wo Neneh Cherry ins Stocken geraten ist. Denn auf ihrem Debut Becoming X holt das Trio aus London viel Vitalität in den Dancefloor-Himmel.

Die beiden Studiotüftler Liam Howe und Chris Corner begannen bereits 1992, im Acid-Jazz-Durcheinander Maxi auf Maxi zu produzieren. Aber erst mit der Hereinnahme der forschen Sängerin Kelli Dayton gewannen die Sneaker Pimps trotz ihres beknackten Bandnamens an Format.

Heuer bauen die „Turnschuh-Zuhälter“ auf der Vorarbeit von Portishead auf, die etwa von Ruby und auf andere Art von Morcheeba dem alternativen Gitarrenpublikum zugeführt wurde. Wenn die Sneaker Pimps nicht, wie zuletzt Lamb, zur Mittagszeit auf die Bühne steigen müssen, bleibt so Gelegenheit, die Songs, die bald manche Kneipe beschallen werden, instrumentiert zu hören.

Volker Marquardt

So, 17. November, 20 Uhr, Docks

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