: Bald Neuwahlen in Frankreich?
■ Rocard konnte bei der Regierungsbildung die vom Präsidenten verlangte Öffnung zur Mitte nicht vollziehen / UDF vor der Wahl mitmachen oder zwischen Regierung und Le Pen zerrieben werden
Aus Paris Georg Blume
Als Kapitän einer Mitterrand– Mannschaft wird es Michel Rocard schwerfallen, einen eigenen Regierungsstil zu definieren. Bei der Ernennung seines Minister– Teams mußte sich der neue Premierminister weitgehend den Vorstellungen des Präsidenten fügen. Gleich alle vier zum ranghöchsten Posten des Staatsministers ernannten Regierungsmitglieder gelten als Vertraute Mitterrands. Zu Rocard unterhielten sie eher distanzierte Beziehungen. So kehrt Roland Dumas, ein Hausfreund Mietterrands, nach zwei Jahren Abwesenheit als Staatsminister ins Außenministerium zurück. Seine Rückkehr verspricht mehr Kontinuität denn Neuorientierung. Richtungsweisende Abrüstungsschritte, die manche von einem wiedergewählten Mitterrand erwarteten, werden vorerst ausbleiben. Wieder im Amt befindet sich erwartungsgemäß auch Pierre Beregovoy, der als Wirtschafts– und Finanzminister bis 1986 dem Land seine strenge sparpolitische Note aufdrückte. Die wichtigste Neubesetzung im Rocard–Kabinett aber ist die Ernennung des bisherigen sozialistischen Parteichefs Jospin zum Staatsminister für Erziehung und Forschung. Bereits als Parteichef genoß Jospin das Vertrauen Mitterrands. Mit dem Erziehungsministerium fällt ihm der einzige Bereich zu, für den Mitterrand drastische Budgeterhöhungen versprochen hat. Überraschungen blieben bei der Regierungsbildung insgesamt aus. Im Innenministerium wurde der gaullistische Haudegen Charles Pasqua vom sozialistischen Technokraten Pierre Joxe abgelöst. Ins Verteidigungsministerium stieg der Sozialist Jean– Pierre Chevenement auf. Die Öffnung zur Mitte, die der Präsident von der Regierung verlangt, konnte Michel Rocard in der Personalpolitik vorerst nicht vollziehen. Zwar signalisierte der Premierminister seine Kooperationsbereitschaft, indem er drei ehemalige Minister Giscard dEstaings in die Regierung aufnahm, einen Großkonzernmanager ins Industrieministerium schickte und einen Profi–Richter zum Justizminister ernannte, doch lehnten die maßgeblichen Politiker der rechts–liberalen UDF alle Angebote Rocards auf Regierungsbeteiligung ab. Im Gegenzug stellt der Premierminister heute die UDF mit seiner „sozialistischen“ Regierung vor die Wahl: entweder entschließt sich ein Teil der parteiintern zerstrittenen UDF zum expliziten Bündnis mit der Regierung, oder das Zentrum wird durch die Polarisierungskraft Le Pens bei den kommenden Parlamentswahlen untergehen. Unter diesen Umständen scheinen Parlamentsneuwahlen in nächste Nähe gerückt.
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