piwik no script img

Balance von Form und Preis

■ Britisches Möbel-Design im alten Bremerhavener Stadtbad

„In the Swim“ heißt die aufwendige Präsentation der Produktpalette jüngster britischer Möbel-Designer, die das DesignLabor Bremerhaven in der Schwimmhalle des ehemaligen Stadtbads in Form einer farbenprächtigen Inszenierung vorstellt. Dabei ist das außergewöhnlich suggestive Ambiente des 50er Jahre-Bads mindestens ebenso wichtig wie die Ausstellungsstücke, mit denen 57 junge Leute — fast alle in den 20ern — einen Überblick über neue Trends im britischen Möbel- Design geben wollen.

Die VeranstalterInnen feiern ihre Präsentation als „bisher breiteste Werkschau auf dem europäischen Kontinent“. Die Kosten von ca. 400.000 Mark tragen der Wirtschaftssenator, der Veranstaltungs-Fond des Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramms (WAP) sowie — in nicht unerheblichen Ausmaße — private Sponsoren. Allein beispielsweise der von David Hockney gestaltete Teppich, der auf tausend Quadratmeter Boden und Seitenwände des gesamten Schwimmbeckens bedeckt, hat die Firma, die dafür aufgekommen ist, mindestens 130.000 Mark gekostet.

Zur Eröffnung der Werkschau mit Show-Charakter erlebten mehrere hundert BesucherInnen auf den ehemaligen Zuschauertribünen den Sitzkomfort der 50er Jahre - Klappbänke für gerillte Hintern. Im tükisfarbenen Kunstlicht der Halle goß Bremerhavens Oberbürgermeister, Karl Willms, allerdings einige Wermutstropfen in die Feststimmung: langfristig müsse das Stadbad „einer wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden“. Den Designern könne es nicht auf Dauer überlassen bleiben.

Auf dem Teppichboden des Malers David Hockney stehen pyramidenförmige Dreiecks-Körper, in die die meisten Exponate eingehängt sind — leider sind so die Sitzmöbel der Probe-Nutzung entzogen.

Zu sehen sind zeitgeistig verspielt geformte Sitzgelegenheiten aller Arten, Tische, Anrichten, Kommoden, Regale und Assesoires (Decken, Vorhänge, Kissen, Kerzenständer und anderes). Die jungen britischen Designer wagen den Balance-Akt zwischen Form, Funktion und Preis. Sie arbeiten im Hinblick auf mögliche Massenproduktion nicht nur mit teuren Materialien, sondern beispielsweise auch mit Sperrholz.

Die Ausstellung zeigt spartanisch schlichte Stühle aus gebogenem Holz mit überkreuzt gefalteten Rückenlehnen oder eine ellipsenförmige Vitrine, deren Holzgerüst unter Spannung steht. Zu den interessanten Exponaten gehört die in drei Teile schräg und geschwungen auseinandergeschnittene Anrichte des 26jährigen Möbeldesigners Tom Loyd.

Der Trend zum raffiniert Einfachen wird gebrochen durch dekorative Kreationen, bei denen das ästhetische Hochgefühl im Vordergrund steht. Becky Maynard (23) zeigt einen Sessel mit einladend geöffneten Händen an den Armlehnen. Der Bildhauer Rob Mulholland (32) hat ein Tryptichon aus unbequemen Stühlen angefertigt, deren schmiedeeisernen Rückenlehnen eine Skulptur mit kitschig-sakralem Charakter ergeben. Freddie Robins (28) bunte Kissen in Form von Körper-Innereien wirken weniger verspielt als maniriert verkrampft.

Auf den Metallstühle von Philip Warren schließlich schmerzt der Rücken nach einigen Minuten; die wie Fahrradgriffe geformten Lehnen erinnern ständig daran, daß Aufstehen und Weitergehen das Gebot der Zeit ist.

Hans Happel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen