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Baker wieder in Jerusalem

Die letzte Gesprächsrunde des US-Außenministers in Israel könnte über Fortsetzung oder Ende der Nahost-Friedensinitiative entscheiden  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Gestern nahm US-Außenminister Baker in Jerusalem die letzten und möglicherweise über die Zukunft der Nahost-Friedensbemühungen entscheidenden Gespräche auf. Diese fünfte Verhandlungsrunde wird ohne große Hoffnungen auf Erfolg begonnen. Die Schamir-Regierung setzt auf eine „kleine“ Konferenz ohne Syrien, an der sich lediglich Israel, Ägyten und Jordanien mit einer jordanisch-palästinensischen Delegation beteiligen sollen. Es ist unwahrscheinlich, daß Washington und Moskau ein solches Unternehmen befürworten. Es würde sich dabei nur um die Fortsetzung der im Camp-David-Abkommen 1978 vorgesehenen Gespräche handeln. Gegenwärtig ist lediglich Israel an einer solchen Konstellation interessiert.

Gestern vormittag konferierte Baker mit Ministerpräsident Schamir und mit Verteidigungsminister Mosche Arens, nachmittags kam Außenminister Levy hinzu. Letzterer schlägt vor, die Konferenzidee überhaupt aufzugeben und direkte Verhandlungen mit Jordanien und den Palästinensern zu führen. Arens war von Anfang an ein Gegner der Baker-Initiative. Der israelische Außenminister Levy kehrte gestern von seinen Gesprächen in Brüssel zurück und trifft heute mit Baker zusammen.

Die amerikanischen Diplomaten, die Baker auf seiner Reise begleiten, sprachen von der Möglichkeit der Einberufung einer „internationalen Regionalkonferenz“ durch Baker und Bessmertnych. Regierungen, die sich an einer solchen Konferenz nicht beteiligen wollen, sollen gerügt werden.

Falls die Konferenz nicht stattfinden kann, solle der UN-Sicherheitsrat weitere Schritte unternehmen. Vorläufig ist das wohl nur eine Drohung, die Israel und Syrien zu einer Kompromißlösung anspornen soll. Politische Beobachter weisen jedoch darauf hin, daß auch eine sehr unwahrscheinliche Kompromißlösung in den prozeduralen Fragen, die eine Konferenz ermöglichen soll, keineswegs bedeutet, daß die Konferenz dann auch wirklich stattfinden kann und daß die Teilnehmer einer solchen Zusammenkunft tatsächlich ins Gespräch über die Lösung der Mittelost-Probleme kommen können.

Dr. Hannan Aschrawi, die gestern zusammen mit Feisal Husseini und Dr. Zakharyia Al Agha im US- Generalkonsulat in Jerusalem mit Baker zusammentraf, teilte heute mit, daß die Palästinenser den amerikanischen Außenminister gebeten haben, schärfer gegen die Unterdrückungsmaßnahmen der israelischen Besatzer vorzugehen und vor allem auch die Fortsetzung der Kolonisierung der besetzten Gebiete zu verhindern. Die Palästinenser beschuldigen Israels Regierung, dem Zustandekommen einer Konferenz im Wege zu stehen. Die linken Parteien, die der PLO angeschlosen sind, stehen den Gesprächen zwischen Baker und den Fatah-orientierten Führern weiterhin kritisch gegenüber. Die Mehrheit unter der palästinensischen Bevölkerung in den besetzten Gebieten glaubt nicht, daß positive Ergebnisse dieser Gespräche zu erwarten sind.

Unterdessen berichteten amerikanische Quellen über israelische Angriffspläne im Süden Libanons „als Ablenkungsmanöver, die der Bush- Baker-Initiative ein Ende bereiten sollen“. In der 'Washington Times‘ heißt es, daß Israel einen großen Angriff auf „Übungslager der Terroristen“ im Südlibanon vorbereitet.

Gleichzeitig wird die Ausweitung der Siedlungen in der Westbank vorangetrieben. „Peace Now“ hat gegen den Transport von 24 neuen „Fertighäusern“ in die Nähe der Siedlung Givon bei Ost-Jerusalem protestiert, wo auf einem Hügel „Givon 2“ entstehen soll, das als Industriezentrum gedacht ist. Offiziellen Stellen zufolge ist „Givon 2“ eine bereits lange geplante, von der Regierung bewilligte Neusiedlung. Nach einem Bericht der Siedlungsabteilung der zionistischen Weltorganisation vom 11.April 91 befinden sich in 56 Siedlungen des Westufers ungefähr 18.000 neue Wohnungseinheiten im Bau oder im Planungsstadium. Vor allem soll der Siedlungsprozeß in der Umgebung von Jerusalem intensiv vorangetrieben werden, um die Hauptstadt mit ihren jüdischen Vororten zu erweitern.

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