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Bahnstrecke Hannover – BielefeldNur noch zweigleisig

Die Suche nach dem Streckenverlauf zwischen Hannover und Bielefeld geht in die vorletzten Runde: Nur noch zwei Neubautrassen kommen infrage.

Die Ost-West-Verbindung läuft nicht gut, schon seit Jahren: Anzeigetafel im Berliner Hauptbahnhof im Juni 2014 Foto: Daniel Naupold/dpa
André Zuschlag

Aus Hamburg

André Zuschlag

Von zwölf auf zwei: Die seit Jahren vor Ort bekämpften Vorplanungen um den Ausbau des Bahnverkehrs zwischen Hannover und Bielefeld gehen in die vorletzte Runde. Am Freitag stellte die Deutsche Bahn ihre beiden nur noch in Betracht kommenden Vorzugsvarianten vor, wo genau in der Region Hannover, im Landkreis Schaumburg und auf der anderen Seite der Landesgrenze in Ostwestfalen künftig der Fernverkehr rollen soll. Bei beiden Varianten soll der Neubau auf niedersächsischer Seite zwar in weiten Teilen neben der bestehenden Strecke verlaufen, trotzdem beklagen Kri­ti­ke­r:in­nen „trassenferne“ Abschnitte, die die Landschaft zerstören und zersiedeln würden.

Ursprünglich zwölf Optionen hatte die Bahntochter InfraGo im August vergangenen Jahres als denkbar für einen Neubau erachtet: Von einer nahezu kompletten Abkoppelung zur bestehenden Strecke bis zu einem weitgehenden Ausbau der Bestandsstrecke gab es unterschiedliche Optionen. Die Varianten V3 und V4 hätten sich nun in der Abwägung aus 196 Kriterien sowie der Kosten der Brücken- und Tunnelanteile „klar gegenüber den weiteren Streckenverläufen durchgesetzt“, teilte die Bahn am Freitag mit.

Auf westfälischer Seite soll bei beiden Varianten ein Tunnel durch das Wesergebirge gebohrt werden. Auf niedersächsischer Seite verzichten beide Varianten auf den bisherigen Schlenker ins westfälische Minden und führen direkt nach Bielefeld. Damit verlaufen sie durch das Landschaftsschutzgebiet „Bückeburger Niederung“, das teilweise Naturschutzgebietsstatus hat.

„Es ist aber aktuell nicht vorgesehen, dass wir ein Naturschutzgebiet direkt durchschneiden“, sagte Projektleiter Marvin Jekel am Freitag. Die beiden ausgewählten Varianten haben auf niedersächsischer Seite den im Vergleich geringsten trassenfernen Anteil. Allerdings handelt es sich bei den ausgewählten Varianten erst um rund 1.000 Meter breite Korridore, die noch konkretisiert werden müssen.

Eine davon wird es werden: diese Varianten standen ursprünglich zur Auswahl Foto: Deutsche Bahn

Aufgeworfen wurde die Idee zum Bau einer zusätzlichen Strecke vor mehr als fünf Jahren, als der Konzern und das Bundesverkehrsministerium noch an eine schnelle Realisierung des Deutschlandtaktes glaubten. Zentraler Bestandteil dabei: Im Halbstundentakt soll der Fernverkehr auf den wichtigsten Verbindungen fahren können, um bis 2030 die Zahl der Fahrgäste zu verdoppeln.

Damit das zeitlich funktioniert, wollen Bahn und Ministerium die Fahrzeit zwischen den 91 Kilometer entfernten Städten Hannover und Bielefeld auf 31 Minuten drücken. Bislang dauert es mindestens 48 Minuten. Zusätzliche Gleise nur entlang der bestehenden Strecke kommen deshalb nicht in Frage, weil die Strecke zu kurvig ist, um dort mit bis zu 300 km/h zu verkehren.

Außerdem drängeln sich bislang S-Bahn, Regionalexpress, Güterverkehr und Fernverkehr auf dem Abschnitt zwischen Wunstorf und Minden auf lediglich zwei Gleisen, obwohl die Strecke Teil der Verbindung zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet ist. „Die Achse ist deutlich am Limit und nicht gerüstet für den Deutschlandtakt“, sagte Ute Plambeck, Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für Niedersachsen.

Im S-Bahn- und Regionalverkehr sind durch die hohe Auslastung ungeplante Halte, um einen Fernzug vorbeizulassen, tägliche Praxis; auch für den Güterverkehr gilt der Abschnitt nach Ansicht der Bundesnetzagentur als „Engpass von europäischer Bedeutung“, weil er den Verkehr von Rotterdam bis zur polnischen Grenze aufhält. Würden die ICEs künftig nicht mehr auf den bestehenden beiden Gleisen fahren, sondern auf der Neubaustrecke, entstünde mehr Platz für den Regional- und Güterverkehr, argumentieren Bahn und Ministerium.

Die Kritik an den Vorhaben ist groß. Einerseits wollen viele An­woh­ne­r:in­nen keine neue Bahnstrecke vor ihr Zuhause gesetzt bekommen. Andererseits stößt die Bahn auch bei ausgewiesenen Bahn­freun­d:in­nen auf Kritik: Im Landkreis Schaumburg etwa hat sich die Initiative „Pro-Ausbau“ gegründet, die sich für die Priorisierung des Ausbaus bestehender Strecken statt teurer Neubauprojekte ausspricht.

Baustart im Jahr 2035

Die Initiative „Pro-Ausbau“ hält die Zielsetzung, für bis zu Tempo 300 eine „landfressende CO2-Neubau-Orgie“ zu errichten, für kaum klimaverträglich. Sie findet, eine tatsächliche Verbesserung des Bahnverkehrs in Deutschland sei nicht durch den Zubau von Hochgeschwindigkeitsstrecken zu erreichen.

Einheitlich ist die Bewertung allerdings bei Verkehrswende- und Umweltgruppen nicht: Fridays for Future hat sich schon für einen Neubau ausgesprochen, um die Verkehrswende voranzubringen. Auch der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) steht den Neubauplänen offen gegenüber.

Unklar ist noch, wie viel der Neubau am Ende kosten wird. Dass es mindestens ein einstelliger Milliardenbetrag wird, erklärte die Bahn in den vergangenen Jahren jedoch schon mehrfach. Mehr wisse man in rund vier Jahren, sagte Projektleiter Jekel am Freitag, wenn die Vorplanungen abgeschlossen sind. Mit einem Baustart wird in etwa für das Jahr 2035 gerechnet.

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