: Bahnfahrer auf der Straße
Jede fünfte Bahn könnte bald ausfallen, warnen die Verkehrsverbünde – und wollen am heutigen Aktionstag ihre Fahrgäste mobilisieren. Engagement von CDU-Verkehrsminister Wittke gefordert
VON ANDREAS WYPUTTA
Gegen den geplanten Kahlschlag bei den öffentlichen Verkehrsmitteln machen Verkehrs- und Umweltverbände gemeinsam mit der Politik mobil. Durch die Kürzung von Bundeszuschüssen schon in diesem Jahr könne bald „jede fünfte Bahnverbindung wegfallen“, warnt das Aktionsbündnis „Gegen Kürzungen bei Bus und Bahn“, hinter dem die nordrhein-westfälischen Verkehrsunternehmen, an der Spitze der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), stehen. Auch Busse und Stadtbahnen könnten ersatzlos gestrichen werden.
Mobilisiert werden sollen deshalb besonders die Fahrgäste: Sie sollen am heutigen Aktionstag bei einer Postkartenaktion mitmachen. Die Mitarbeiter der Nahverkehrsunternehmen hoffen auf „einige hunderttausend“ Unterschriften; vor den entscheidenden Beratungen des Bundestages soll das politische Berlin wachgerüttelt werden. „Verkehrsunternehmen und Fahrgäste sitzen in einem Boot“, sagt VRR-Vorstand Martin Hußmann. Schließlich seien Passagierzahlen unter Rot-Grün in den vergangenen fünf Jahren um über 30 Prozent auf zwei Millionen Fahrgäste geklettert (siehe Interview unten).
Auf der zentralen Kundgebung heute um 11 Uhr vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof wird auch NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) sprechen. „Der Minister lehnt jede Kürzung schon im laufenden Jahr ab“, so Wittkes Sprecher Stephan Heuschen gestern zur taz. Im kommenden Jahr allenfalls denkbar sei ein Verzicht auf die übliche Erhöhung der Bundeszuschüsse um 1,5 Prozent, verweist Heuschen auf einen entsprechenden Beschluss aller Landesverkehrsminister vom März. Die große Koalition aus CDU und SPD im Bund hatte dagegen im Februar beschlossen, die so genannten Regionalisierungsmittel für den Nahverkehr um 3,3 Milliarden Euro bis 2010 zu kürzen.
Umweltverbänden und Opposition aber geht Wittkes Engagement nicht weit genug. Der Christdemokrat hätte viel engagierter um die Regionalisierungsmittel kämpfen müssen, so die Verkehrsexperten von SPD und Grünen im Düsseldorfer Landtag, Axel Horstmann und Oliver Keymis: „Wittke hat zunächst Verständnis gezeigt und gesagt, es müsse halt überall gespart werden“, ärgert sich Keymis. „Noch bei den Beratungen zum Landeshaushalt hat der Verkehrsminister über die viele heiße Luft schwadroniert, die in den Regionalzügen herumgefahren werde.“
Auch Ex-Verkehrsminister Horstmann traut seinem Nachfolger nicht. Während Wittke in Düsseldorf protestiert, verhandelt der Sozialdemokrat in Berlin lieber selbst mit seinem Parteifreund, Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, über die Regionalisierungsmittel. „Wittke vergießt populistische Krokodilstränen“, ist sich auch Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz sicher. „Dabei könnten ganze Regionen vom Nahverkehr abgeschnitten werden.“