Bahn-Tarifstreit und Privatisierung: Druck von allen Seiten
Die GDL beharrt auf einem eigenen Tarifvertrag, die Bahn-Gewerkschaft Transnet will das neue Privatisierungsmodell verhindern. Beide drohen mit neuen Streiks.
BERLIN dpa/ap Während die Lokführergewerkschaft GDL mit einem Streik im gesamten Bahnverkehr schon ab Dienstag droht, verlieren Politik und Wirtschaft die Geduld mit dem festgefahrenen Tarifstreit. Minister und Wirtschaftsbosse warnten am Wochenende, Bahnstreiks könnten den Aufschwung gefährden und forderten die Tarifparteien zu neuen Verhandlungen auf. Die GDL hatte am Samstagmorgen einen 42-stündigen Streik im Güterverkehr beendet, der entgegen ersten Befürchtungen keinen Produktionsstopp in der Industrie auslöste.
"Sollten die Fronten so bleiben, wie sie sind, werden wir uns am Montag zusammensetzen und über weitere Streiks beraten. Dann könnte es schon ab Dienstag neue Streiks geben", sagte der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Manfred Schell. Dann werde die Gewerkschaft zum Ausstand in allen drei Bereichen der Bahn - also im Nah-, Fern- und Güterverkehr - aufrufen.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) warnte vor negativen Folgen der Streiks für die Konjunktur. "Der robuste wirtschaftliche Aufschwung ist im Moment durch einen hohen Ölpreis und einen starken Euro belastet. In dieser Situation ist ein Streik, der den Güterverkehr stark behindert, Gift für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung", sagte er. Gewerkschaft und Bahn sollten ihre Verantwortung gegenüber den Verbrauchern und der Wirtschaft bedenken. Auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) forderte die Tarifparteien auf, "wieder miteinander zu verhandeln, statt nur übereinander zu reden".
Unterdessen droht auch die Bahn-Gewerkschaft Transnet mit neuen Streiks - als Reaktion auf ein neues Konzept zur Bahnprivatisierung, in dem eine Trennung von Netz und Betrieb vorgesehen ist. Man wolle notfalls alles tun, um den Beschäftigungssicherungstarifvertrag zu erhalten, sagte Transnet-Sprecher Michael Klein. Transnet werde zum Streik aufrufen, falls die Bundesregierung ihr neues Privatisierungsmodell ohne Rücksicht auf die Beschäftigten vorantreibe.
Ein Scheitern der Bahn-Privatisierung hätte laut Spiegel auch personelle Konsequenzen: Für diesen Fall hätten Vorstandschef Hartmut Mehdorn und Teile des Aufsichtsrats bereits über ihren Rücktritt nachgedacht, schrieb das Magazin. Aufsichtsratschef Werner Müller habe bereits einen Nachfolger gesucht und gefunden. Der Name sei bislang noch geheim.
Unterdessen ringen Bahn-Management und führende Politiker um einen Ausweg aus der Misere: Mit einem neuen Modell soll privaten Investoren doch noch der Einstieg bei der Bahn ermöglicht werden. Dabei soll der Konzern faktisch, aber nicht formal in ein Infrastruktur- und ein Verkehrsunternehmen zerschlagen werden. Die Infrastrukturholding bliebe beim Bund. In der zweiten Holding würden die Sparten Fern-, Nah- und Güterverkehr sowie Logistik zusammengefasst. Diese Holding würde dann zum Teil privatisiert.
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