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Bärte tragende Lärmschmeichler

■ Sanftes Kratzbürsten-Trio: Aereogramme loten im Logo aus, wann Musik krank zu werden droht

Mit Aereogramme (ja, das zweite e ist korrekt, obgleich unzählige andere Schreibweisen kursieren) hat sie sich wohl einen der sperrigsten Bandnamen ausgesucht. Die Band aus Glasgow, der Stadt im trüben Schottland, die sich ihrer eigenbrödlerischen Musikszene rühmt. Und kaum zugänglicher erscheint dem flüchtigen Passanten das Werk der so aufmerksam beäugten Schotten, das sich bisher auf ein reguläres Album beläuft. Doch wer sich auf sie einlässt, pflegt sie in den Himmel zu loben. Ihr Songwriting sei revolutionär, oder, wie der Musik-express schrieb „der perfekte Gehirnfick zwischen Lärm und Stille“.

Was das heißt? White Paw nennen sie zum Beispiel eine ihrer EPs – und solche oder Singles veröffentlichten sie in den ersten Jahren ihrer Band-History ausschließlich. White paw, eine weiße Pfote. Also die sanfteste, unschuldigste Art das Gesicht zerkratzt zu bekommen? Ähnlich ist das maunzige Umschmeicheln bei einem Lied wie „Motion“ wohl zu verstehen. „How should I surround you?“, fragt Sänger Craig B dann: „How should I grace you?“ Um anschließend alles zu zerbrüllen und zu zerlärmen, dass wohl auch Sonic Youth daran ihre Freude hätten.

Die Zuflucht im Lärm zu suchen ist doch nichts Neues, könnte man also sagen. Doch Aereogramme, drei unspektakuläre Bartträger, die niemand als Boygroup bezeichnen würde, betreiben diesen Spaß schon auf recht eigene Art. In etwa als würde ein DJ mit der Gitarre in der Hand Amok laufen. Bis er sich fängt und zusammengekauert leise Töne von sich gibt. Ganz versöhnlich. Vielleicht könnte man sie als Wut im sehr gemäßigten Tempo beschreiben, wie es auch bei Elbow manchmal gelingt. Doch die haben eben keinen schreienden, pitbullartigen Psychopathen, sondern einen fettleibigen Teddybären am Mikro stehen.

Erfolgsverwöhnt zogen sie über die Festivals im letzten Jahr, galten als schrägste Versuchung zwischen all den braven Starsailors oder den sich brüstenden Britpop-Egomanen. Bezauberten und verstörten bei Open-Air-Klassikern, und schließlich zeigte sich der allmächtige John Peel begeistert und hat seitdem sein wohlwollendes Händchen im Spiel, lässt das Trio gerne buchen. Sie „schließen die Lücke zwischen Travis und Nirvana“, schreibt derweil The Independent. Vielleicht. Aber wen kümmert es? Mit Dominic von Mogwai mischt das labile Trio jedenfalls in einem Glasgower Club mit, der sich rühmt, die einzige Nachmittags-Metal-Disco im United Kingdom zu sein. Na dann.

Und noch eine kleine Anekdote am Rande: Aereogramme spielten kürzlich eine kleine US-Tournee. Als sie mit einer dortigen Band unterwegs waren, entdeckten sie den Bandbus der Strokes. Und sprühten „$uck$ Dick$“ in Riesenlettern auf die Seite. Klingt nach ehrlichem Rock. Wie sich das live in kleinem, dunklen Club anhört? In klassischer Dreier-Punk-Besetzung? Ausprobieren! Volker Peschel

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