: BVG nicht mehr offen und ehrlich
Mentalitätswandel
In der U2, in der U6, sogar im Bus: Überall haben wir in dieser Woche Kontrolleure in Zivil getroffen: Die Fahrscheine, bitte! Knapp zwei Jahre lang waren die Kontrolleure bei den Berliner Verkehrsbetrieben nur in Uniformen unterwegs. Das ging auf den „Mentalitätswandel“ zurück, den Unternehmenschefin Sigrid Nikutta im Januar 2011 verkündet hatte: Verdeckte Kontrollen passten nicht „zu dem offenen und ehrlichen Umgang mit unseren Kunden“, sagte sie damals. Jetzt hat das landeseigene Unternehmen sich umentschieden und pflegt nun wieder einen, äh, verdeckten und lügenden Umgang mit den Kunden.
Wobei fairerweise auch gesagt werden muss, dass die Schwarzfahrer das mit den Uniformen ganz schön ausgenutzt haben: Sie stiegen einfach aus, sobald einer der schon von weitem erkennbaren Kontrolleure auf die U-Bahn zusteuerte. Die Zahl der erwischten Schwarzfahrer halbierte sich folglich von 325.000 auf 156.000. Noch dramatischer sank die Zahl der Strafanzeigen für Intensivschwarfahrer: Von 6.700 auf 1.050. Man möchte sich gar nicht ausmalen, was das für die Psyche und die Arbeitsmotivation der BVG-Mitarbeiter bedeutet hat. Wenn man sich für eine Karriere als Kontrolleur entscheidet, dann träumt man ja davon, möglichst viele Schwarzfahrer zu erwischen. Und dann wirft einem die eigene Unternehmensleitung derart Knüppel zwischen die Beine und verhindert, dass man seine Arbeit vernünftig machen kann. Uniformen für Kontrolleure – das ist ja wie bei einem Räuber-und-Gendarm-Spiel, bei dem der Gendarm immer laut rufen muss: Vorsicht, hier bin ich!
Jetzt dürfen die Kontrolleure endlich wieder ihren BVG-Flecktarn anziehen: Jogginganzug oder Jeans, bequeme Schuhe, Baseballkappe und – ganz wichtig – die obligatorische Bauchtasche. Zudem dürfen nun doppelt so viele auf Streife gehen: Auf 140 soll ihre Zahl in diesem Jahr steigen, im vergangenen Jahr waren es noch 70. Die Folgen dieser großzügigen Personalausstattung zeigte sich auch in dieser Woche: Da waren gleich drei Kontrolleure in einem einzigen Bus unterwegs. Wer gerne schwarzfährt, muss jetzt wieder jederzeit damit rechnen, erwischt zu werden. SEBASTIAN HEISER