: BKA zählt 662 Drogentote
■ Wechselnde Reinheit des Heroins wichtige Ursache für tödliche Überdosis / Kokain wird zur Allerweltsdroge / „Zeichen für eine allgemeine Hoffnungslosigkeit“
Wiesbaden (ap) - Im Jahre 1988 hat die Zahl der Drogentoten eine neue Rekordhöhe erreicht. In einer ersten vorläufigen Bilanz berichtete das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden am Dienstag von mindestens 662 Toten. Das übertreffe deutlich den bisherigen Höchststand von 623 Opfern im Jahre 1979. Stichtag für die Drogenbilanz ist allerdings der 31.Januar, so daß mit einer Zahl von mehr als 700 Opfern gerechnet werden muß.
Als Grund für die vielen Todesfälle nannte das BKA unter anderem die besonders hohe Reinheit der meistbenutzten harten Droge Heroin oder aber dessen extreme Verunreinigung. So sei beim „Straßenstoff“ der Reinheitsgehalt im vergangenen Jahr im allgemeinen gestiegen, teilweise sei bis zu 60 Prozent reines Heroin gefunden worden. Viele Süchtige sind nach den Beobachtungen der Polizei aber Reinheitsgrade um die 20 Prozent gewohnt, so daß die Gefahr von Überdosierungen groß ist. Auf der anderen Seite sei auch stark verunreinigtes Rauschgift auf dem Markt, das tödlich wirken könne, sagte Limburg. Es werde mit anderen dämpfenden Mitteln gemischt, die langsamer abzubauen seien als Heroin, sich also im Körper zu tödlichen Dosen ansammeln können. Mitunter streckten Dealer ihre Ware auch schlicht mit Gips.
Als dritten Grund für die Schreckensbilanz 1988 nannte der Polizist Selbstmorde. Mancher Süchtige erlöse sich mit einem „goldenen Schuß“ aus seiner oft jahrelangen Misere.
Andererseits führten bei vielen Rauschgiftopfern inzwischen die Folgen jahrelangen Raubbaus am eigenen Körper zum Tode. Limburg schätzte die Überlebensfrist eines süchtigen Mannes vom ersten Rauschgiftgebrauch an auf etwa acht Jahre, bei einer Frau seien es ein bis zwei Jahre weniger. Das Durchschnittsalter der Fixer liege zur Zeit bei 28 Jahren.
Nach Einschätzung des BKA werden sich Kokain und Amphetamine (Aufputschmittel) „zukünftig vermehrt als Ursachen für Drogentode bemerkbar machen“. Das früher als „Schickeria-Stoff“ geltende Kokain sei inzwischen zur „Allerweltsdroge“ geworden, sagte Limburg. Die Preise für Heroin seien im vergangenen Jahr gefallen. Von den schätzungsweise 6.000 bis 7.000 Drogenkonsumenten, die der Polizei 1988 erstmals bekannt geworden seien, nähmen zwei Drittel Heroin, der Rest Amphetamine und Kokain. Insgesamt gebe es in der Bundesrepublik wahrscheinlich etwa 100.000 Konsumenten harter Drogen.
Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Hermann Heinemann wertete die „extrem hohe Zahl der Drogentoten“ als „Zeichen für eine sich ausbreitende Hoffnungslosigkeit“ unter den länger Abhängigen. Die Neigung, Drogen auszuprobieren, scheine wieder zuzunehmen. Gleichzeitig sei das Rauschgiftangebot sehr groß. Heinemann wie das BKA berichteten von einer Zunahme des kombinierten Gebrauchs verschiedener berauschender Substanzen. Dieser „Mischkonsum“ berge zusätzliche Gefahren.
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