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Archiv-Artikel

BERNHARD GESSLER STETHOSKOP Geschätzter Kollege!

WAS DENKEN ÄRZTE ÜBEREINANDER? WIE GEHEN SIE MITEINANDER UM? DAS IDEAL IST: WIE IN EINER GROSSEN FAMILIE. ALS EINFACHER VERTRETER DES STANDES MÖCHTE MAN SICH ABER BISWEILEN PEINLICH BERÜHRT ABWENDEN

Mit freundlichen kollegialen Grüßen“ – so endet der klassische Entlass- und Konsiliarbrief zwischen den Mitgliedern meines Berufsstandes. Die Kollegialität unter Ärzten ist eine schillerndes Phänomen – Segen und Fluch zugleich.

Im Hippokratischen Eid klingt das alles noch ziemlich kuschelig: Hier wird das Ideal einer familienähnlichen Gemeinschaft von Vätern und Söhnen beschworen. Dass dieser Eid jedoch wahrscheinlich nie geschworen wurde, hatte ich an dieser Stelle schon erwähnt. Immerhin kenne ich zwei Chefärzte, die sich hierzulande brüderlich mit confrère ansprechen.

Überhaupt, die Klinik: Als Assistenzarzt waren die Spielregeln noch einfach zu lernen: Feste Strukturen, klare Hierarchien – man konnte auf Assistenzarzt-Ebene recht entspannt ein gutes Verhältnis zu den KollegInnen pflegen. Motto: Wir sitzen alle im selben Boot und euer Chef hat einen ähnlichen Knall wie unserer.

Welche Untiefen der Begriff und das System der Kollegialität wirklich haben, wurde mir naivem Schaf erst beim Übergang von der Arbeit im Krankenhaus in die Niederlassung bewusst. Hoppla, hier wehte aber ein rauerer Wind!

Anders als in der Klinik begibt man sich in eine mal mehr, mal weniger spürbare, direkte Konkurrenzsituation zu den anderen niedergelassenen KollegInnen. Als angestellter Klinikarzt musste ich mir allenfalls in depressiven Momenten Gedanken um mein Bestehen im Gesundheitsmarkt – der oft einem lauten Basar oder dichten Dschungel ähnelt – machen. Manche KollegInnen drehen aber als Niedergelassene erst richtig auf und schlüpfen lustvoll in die Rolle des Unternehmers – bestärkt und umhegt von Steuer-, Finanz- und Unternehmensberatern. Asklepios sei Dank bleibt jedoch die Mehrheit auf dem Boden.

Richtig zur Sache geht es allerdings bei den diversen Ärzteverbänden des ambulanten Sektors und ihren Vertretern. Paradoxerweise wird gerade von dieser Spezies der Begriff „Kollegialität“ gerne aufgefahren, ähnlich übrigens wie der Topos „das Wohl unserer Patienten“ – aber das ist ein anderes Thema. Dabei geht es in der Regel um Verteilungskämpfe, und die haben anscheinend immer Konjunktur.

Auf der Ebene der Großkopferten wird hart gekämpft: Verleumdungsklagen und Androhungen selbiger, einstweilige Verfügungen und Unterlassungsklagen bezüglich bestimmter Äußerungen (die dem Verbandskonkurrenten noch während einer Sitzung auf den Tisch flattern): Manchmal möchte man sich als einfacher Internist nur noch peinlich berührt abwenden. Aber, geneigte Leserinnen und Leser, glauben Sie mir: Der einfache Arzt ist nicht wie sein Vertreter!

■ Der Autor ist Internist in Karlsruhe Foto: privat