: B Ü H N E B E R L I N
■ F U N D S A C H E N
Das sogenannte Tingeln - besonders in den Theaterferien
-hat Tradition bei Schauspielern, solchen, die sich dafür halten, und auch bei solchen, die dafür gehalten werden müssen. Wer ein fernsehbekanntes Gesicht hat, vermietet es außerhalb der Spiel-Arbeit, stellt Visage und gegebenenfalls Fähigkeiten der werbenden Wirtschaft zur Verfügung. Für das Ensemble des Schöneberger Staatstheaters am Rathausplatz gilt nichts anderes. Die Staatsakteure und -aktricen müssen (wenn man von den braunen Bargeld-Umschlägen einmal absieht), gegen Essen und Trinken ihr Gesicht hinhalten. Wenn's nützt...
Haupt-Multiplikatoren für die Herumsteh-, Herumsitz- und Herumlauf-Auftritte des Staatsensembles sind die Springerblätter. Nehmen wir Freitag, den 24. Juni: Die 'BZ‘ begeistert sich auf ihrer Mittelseite wort- und vor allem bildreich über den Luftbrückengedenktag. Hielt die Antrittsrede: Parlamentspräsident Peter Rebsch ist ein Foto lakonisch untertitelt, das allerdings das große Herumsteh-, Ablese- und Gesichtzeigetalent Rebsch (einspaltig!) vollkommen unauffindbar präsentiert. Schöner geht's im gleichen Blatt auf Seite 14 zu. Dort ist zu erfahren, daß der Regierende Eberhard auch in Peking seine deutschberlinischen Gewohnheiten nicht vergißt: Versuche, sich etwas erklären zu lassen („Das Geheimnis der Peking -Ente“) und ein kühles Bier unter dem Sternenhimmel von Shanghai.Das Foto (wieder einspaltig!) zeigt D. schlipsig -hemdsärmelig, begriffsstutzigen Blicks. Der Text schlüsselt tatsächlich das gesamte Enten-Back-Rezept auf und labert im übrigen nur verschwommen vom Regierenden, der fünf Tage in der Stadt viele offizielle Begegnungen hatte. 'BILD‘ vom gleichen Tag weiß da mehr und Genaueres: Endlich mal ausgeschlafen enthüllen die Boulevardschnapsköpfe, lassen den Häuptling fröhlich zum Frühstück kommen und den Leser wissen, „Senatssprecher Fest“ habe den Chef zu einer Schlaftablette überredet. Schlaftablette zu Schlaftablette. Diepgen selbst bringt den Sinn seiner Spesentour zündend auf den Begriff: „Ich bin zufrieden. Meine Darstellung Berlins zwischen Ost und West kam bei den Chinesen sehr gut an.“ Darstellung- war sonst noch was?
Auch in der 'Morgenpost‘ vom 24.6. wird von Berliner Politchargen überwiegend dagestanden und ausgesehen. Immerhin vierspaltig zeigt das Blatt eine luftbrückenhalber teils salutierende, teils nur strammstehende Personengruppe vor einem schrottreifen Propellerflieger. Peter Rebsch, der Mann, der noch jede Berliner Meisterschaft im Apfelkornsaufen anpfeifen würde, steht zwischen zwei anderen Gleichgesichtigen und sieht bärtig dümmlich aus - wie er eben ist.
Die 'Berliner Sparkasse‘ wirbt in Prospekten neuerdings unter dem Titel „Berliner Bühne“ mit dem Satz: Der unverkennbare Reiz dieser Stadt liegt in ihrer Fähigkeit, jeder Leistung den angemessenen Rahmen zu bieten. So kann man es wohl sagen.
Klaus Nothnagel
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