piwik no script img

Avocado-Salat

■ Glücklich mit Jonathan Richman

Seine Welt ist eine sehr persönliche. Sie besteht aus durchschwitzten T-Shirts, Avocado- Salat, der Nachbarschaft, Strand- Partys, Cappuccino, dem Bad in der Waschmaschine, noch mehr Essen, noch mehr Trinken und all den anderen kleinen Freuden des Alltags. Mit dem Leiden hat es Jonathan Richman nicht so. Jojo ist penetrant selbstzufrieden, geradezu pervers amerikanisch, breit und kaugummikauend grinsend. Aber man kann ihm nichts übelnehmen.

Manche Musikanten stehen so abseits, daß sie und ihre Musik sich nicht in andere Zusammenhänge einordnen lassen. Und das, obwohl es in der Geschichte von Richman und seiner Modern Lovers reichlich Referenzen gibt: Von der Ur-Formation der Lovers, die der manische Velvet- Underground-Verehrer Richman 1970 gründete, ging Dave Robinson zu den Cars und Jerry Harrison zu den Talking Heads, die erste Modern-Lovers-Platte produzierte ursprünglich John Cale, bevor sie erschien, remixte sie Kim Fowley. Doch all diese Querverweise taugen bestenfalls zur historischen, nicht zur musikalischen Einordnung. Richman ist einfach nur Richman, sind all die Eistüten und Bubble- Gums, die er in seinem Leben zu sich genommen hat, ist die naive Freude an den Banalitäten des Alltags.

Auch auf seiner neuen Platte Having A Party With Jonathan Richman tauchen wieder die klassischen Richman-Themen auf. Über die Leute, die nur an der Theke abhängen, anstatt zu tanzen („They're Not Tryin' On The Dancefloor“), über die Nacht, in der der gute Jonathan immer seine besten Ideen hat („At Night“), über die kleinsten Bedürfnisse („When She Kisses Me“), über das Problem, wie man seine eigene Frau anreden soll („When I Say Wife“), und natürlich fehlt auch das Genußmittel-Lied nicht („Cappuccino Bar“). Richmans Drang zur Reduktion geht immer weiter. Vom Punkrock der ersten Modern Lovers über den mittleren, sehr weichen und vollen Sound bis zu der Drei-Mann- Besetzung mit zwei akustischen Gitarren und einem Schlagzeuger, der mit einer einzigen Trommel auskommt. Nach dem Ausflug auf Jonathan Goes Country ist Having a Party wieder ein echter Richman, aber noch reduzierter. Nurmehr er und seine Gitarre, nur bei einem Stück Background, „1963“ ist gar nur gesprochen. Der „Monologue About Bermuda“ ist natürlich ein Dialog, den er mit sich selbst führt, und eher Kabarett als Musik.

Richman macht uns vor, wie man sich selbst bescheiden kann und dabei zufrieden wird. Seine Fröhlichkeit mag lächerlich und kindlich sein, ansteckend ist sie sicher, und kindisch ist sie nicht. Er grinst, als wolle er die ganze Welt in diesen breiten Mund ziehen und glücklich machen. Sein Gesang ist ein einziges großes Lachen, seine Texte sowieso. Bei jedem Ton sieht man das immer noch jungenhafte Gesicht des inzwischen über Vierzigjährigen vor sich und fragt sich, wie kann jemand so pervers freundlich sein? Thomas Winkler

Jonathan Richman: Having A Party With Jonathan Richman. Zensor/EFA 05821.26.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen