Außenminister Heiko Maas in Polen: Zankapfel Nord Stream
Das Treffen der Außenminister Polens und Deutschlands in Warschau bringt keine Annäherung. Im Zentrum stand der Streit um die Pipeline Nord Stream 2.
Dann: Wie soll eine gemeinsame Reaktion auf eine vierten Corona-Welle aussehen? Und auch: Wie sollen die einzelnen EU-Staaten und die EU als Ganzes auf die Situation in Belarus reagieren? Doch nach dem Treffen der beiden Minister war davon kaum noch die Rede.
„Die Art und Verfahrensweise für eine Wiedergutmachung bleibt weiterhin eine offene Frage“, stellte Polens Außenminister Rau am Donnerstag nach dem Treffen mit seinem deutschen Amtskollege fest. Heiko Maas antwortete darauf: „Für Deutschland ist die Frage der Kriegsreparationen abgeschlossen.
Das Reparations-Thema kocht immer mal wieder hoch, hat aber aktuell keine politische Bedeutung. Polen bezog direkt nach dem Krieg über die Sowjetunion acht Jahre lang Reparationsleistungen aus Deutschland. Auch viele polnische NS-Opfer erhielten über die Jahre Zahlungen aus Deutschland, zuletzt – unter Kanzler Gerhard Schröder – die polnischen Zwangsarbeiter*innen.
Fertigstellung bis 2024
Nicht entschädigt wurden bislang die aus Polen verschleppten und in deutschen SS-Familien germanisierten Kinder. Doch deren Schicksal wurde auf dem Minister-Treffen nicht angesprochen. Stattdessen versprach Maas, dass in Berlin die Konzeption für das polnische Kriegsopfer-Denkmal Fortschritte mache. Polens regierende Nationalpopulisten hatten die Fertigstellung des Denkmals bis 2024 gefordert.
Keinerlei Fortschritte gab es beim Streitthema „Gaspipeline Nord Stream 2“. Maas warnte in Warschau davor, die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland abzubrechen. Wenn man gleichzeitig auch China isoliere, treibe man diese beiden Länder immer weiter zusammen und schaffe den größten Wirtschaftsraum weltweit, sagte Maas. „Das ist nicht nur falsch, sondern das ist auch gefährlich – auch für unsere Sicherheitsinteressen in Europa. Und deshalb halten wir das nicht für die richtige Strategie.“
Rau bekräftigte dagegen die polnische Ablehnung des Projekts. „Wir sind Gegner dieses Projektes und waren es von den Anfängen seiner Entstehung an.“ Es verursache ein Sicherheitsdefizit in der Region und im Fall der Ukraine sogar ein „Sicherheitsvakuum“ sagte er.
Beide Minister hatten ihre Argumente zuvor einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Minister Rau hatte in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung vor der Gaspipeline Nord Stream 2 als einer „imperialen Falle“ des russischen Präsidenten Wladimir Putins gewarnt. Mit der Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline lasse der russische Präsident die Deutschen in diese Falle laufen, denn mit ihr entstehe ein „Sicherheitsdefizit“ an der Nato-Ostflanke. Die Ukraine werde „in den Zustand einer vollkommenen Unsicherheit“ gestoßen, so Rau.
Großes Ganzes
Dem Außenminister Polens zufolge sieht „Putins Angebot an Deutschland“ so aus: Die Europäische Union, die durch die Bundesrepublik dominiert werde, solle mit der Eurasischen Union, die Russland dominiere, zu einem großen Ganzen verschmelzen. Putin nutze dabei das deutschen Konzept des „Wandels durch Handel“ und drehe es um, um seinerseits die Bundesrepublik zu verändern.
„Zusammen mit dem Gas aus der Pipeline Nord Stream sollen die Deutschen die Idee […] eines kleptokratischen Entwicklungsmodells importieren, das sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Politik, Wirtschaft und kriminellem Milieu ergibt“, schreibt Zbigniew Rau.
Dabei gebe es eine Alternative zum Angebot Putins. 1989, als der Eiserne Vorhang in Europa fiel, habe der damalige Präsident der USA George Bush senior „den Aufbau eines ungeteilten, freien und friedlichen Europas“ angestoßen. Mit der Fertigstellung von Nord Stream 2 stehe Deutschland vor der Entscheidung, das Angebot Putins anzunehmen oder aber die Alternative von Bush zu wählen, so Rau.
Deutschlands Außenminister Heiko Maas erklärte vor seinem Warschau-Besuch in einem Interview mit der konservativen Tageszeitung Rzeczpospolita, dass man die deutsch-polnische Zusammenarbeit in EU und Nato nicht auf die Nord Stream 2-Pipeline reduzieren dürfe. Wer das tue, ignoriere die Tatsache, dass die Verbindungen zwischen beiden Ländern eng und vielfältig seien.
Nicht ohne Polen
Auf die Aussage von Rau am 11. Juni angesprochen, der zufolge Deutschland die Werte und Sicherheitsinteressen der freien Welt aufgegeben hätten, um Nord Stream 2 zu bauen und mit dem agressiv auftretenden Russland zusammenzuarbeiten, antwortete Maas: „Wenn es um die Energiesicherheit geht, stehen wir mit den Staaten Mittel- und Osteuropas sowie den USA auf einer Seite.“
Aus diesem Grund habe Berlin von Anfang an versucht, einen für alle Seiten zufriedenstellenden Kompromiss zu finden. Diesem Ziel diene auch die EU-Gas-Richtlinie von 2019. Deutschland bemühe sich sehr, den Gastransit durch die Ukraine auch nach der Fertigstellung von Nord Stream 2 aufrechtzuerhalten.
Es führe in diesen Kontext Gespräche mit der Ukraine, mit Polen und mit den USA: Wichtig und für viele Polen auch beruhigend dürfte der Satz von Heiko Maas sein, der zur Schlagzeile wurde: „Ich kann mir eine EU ohne Polen nicht vorstellen.“
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