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Ausruhen isn't

■ Wie die Band Desmond Q. Hirnch versucht, die staubigen Weiten des Artrock zu verlassen

Man könnte Desmond Q. Hirnch eine Menge vorwerfen. Daß ihre Songs zu kompliziert sind und ihr Sound altmodisch. Man könnte ihnen vorhalten, daß sie unverkäuflich sind und sich nicht ums Publikum scheren. Aber eines kann man der Band aus Potsdam und Berlin sicherlich nicht vorwerfen: Realitätsverlust. Im Gegensatz zu anderen Musikschaffenden erhoffen sie sich weder Ruhm noch Reichtum. Überhaupt einmal von der Musik leben zu können, selbst „davon gehen wir nicht aus“, sagt Schlagzeuger Gunnar Spies.

Sollte das aber irgendwann passieren, werden Desmond Q. Hirnch wohl trotzdem so konfus bleiben wie ihr Name, den sie beim Scrabbeln fanden. Nach dem Debüt „Tomb Denz Fussel“ von 1993, das ihnen wesentlich eingängiger als sein Titel geraten war, entdeckten sie auf „Out of Reality Area“ die freundlichen Weiten des Artrock, ohne jedoch jemals wie Artrock zu klingen. Als Einfluß gaben sie zwar Pink Floyd an, und als Referenzpunkte wurden ihnen King Crimson und selbst Led Zeppelin angedichtet. Aber die Herangehensweise an die Vergangenheit war eindeutig Punk. Die Haltung war geprägt von Rotzigkeit, was den komplexen Friemeleien glücklicherweise die bleischwere Tiefenbedeutung nahm. Ein über 20 Minuten langes Stück konnten sie sich trotzdem nicht verkneifen, und auf der Bühne standen sie schon mal mit dem Rücken zum Publikum, während sie ihre Verstärker bearbeiteten: Art- und Avantgarderock, ick hör' dir trapsen.

Dieselben Vergleiche werden auch bei der neuen, schlicht „music“ betitelten Platte wiederkehren, ergänzt durch einige andere. Kyuss möglicherweise, weil die Gitarren sich um eine neue Wärme bemühen, der Rhythmus etwas verzögerter, der ganze Klang der Band zwar härter, aber irgendwie auch schlaffer geworden ist. Desmond Q. Hirnch sind metallischer geworden, ohne nach Metal zu klingen. „Ich kannte Kyuss vorher nicht mal“, meint Spies zu dem Vergleich, aber er weiß auch, daß „Schweinerock schwer im Kommen“ ist.

Mitverantwortlich für die neue Härte ist ein Besetzungswechsel, bei dem ein Bassist verlorenging und die Band zum Quintett aufgestockt wurde. Die beiden Neuen hatten zuvor bei Syksy gespielt und mit dieser Band eine einzige, metallisch glasklare und unglaublich düstere Dark-Metal-Platte herausgebracht. Lachmann allerdings ist „die Artrock-Ecke immer noch lieber als die Hardcore- Ecke“. Weswegen es auf „music“, ganz dem puristischen Titel verpflichtet, auch keine Texte zu lesen gibt. Nicht mal die Namen der Bandmitglieder sind abgedruckt.

Genrezuschreibungen wollen bei Desmond Q. Hirnch einfach keinen Sinn machen. Wenn Spies sagt, „Programm ist, unterschiedliche Platten zu machen, wir sind eine Band, die so was machen sollte“, dann ist das nicht nur das übliche Wir-sind-so-einmalig-und- passen-in-keine-Schublade-Gewäsch, sondern in ihrem Fall wirklich einleuchtend. Denn immer wenn man sich gewöhnt hat an ihre wirre Art, mit einen Song umzugehen, denken sie sich ganz schnell eine neue wirre Art aus. Manchmal ertappt man sich, wie man beim Zuhören erleichtert feststellt, daß man so etwas wie eine Struktur erkennt, an der man sich festhalten kann. Dann wird die entweder so lange monoton wiederholt, bis es keinen Spaß mehr macht, oder gleich in einer Kakophonie aufgelöst. Eins ist mal sicher: Ausruhen ist bei Songs von Desmond Q. Hirnch nicht.

Ein wenig Sicherheit ist auch bei den Texten nicht zu finden, denn „die sind zweitrangig“. Sie entstehen im Studio, „werden aus der Situation geboren“, sind womöglich „skurrile Geschichten“, aber mehr auch nicht. Die Stimme darf, wenn sie denn überhaupt verwendet wird, manchmal auch nur stammeln oder Geräusche machen und dient vornehmlich als zusätzliches Instrument. So wirkt der deutsche Akzent von Noack in „Wax“ fast schon wie ein gewollter Effekt, dabei kann der Mann, versichert der Rest der Band, einfach nicht besser Englisch.

So wenig die Band ihre Texte ernst nimmt, so ernst wird die Musik genommen. Die andererseits aber auch „hoffentlich nicht bedeutungsschwanger“ klingen möge. Doch daß sie das tut, das „kann schon sein“. Ein wenig, sagt dann plötzlich Lachmann, sei das „vielleicht wie bei Helge Schneider“. Man sei zwar für einen gewissen „Unterhaltungswert“ zu haben, aber möchte doch gerne als Musiker ernst genommen werden. So viel sei Desmond Q. Hirnch versichert: Als Komiker werden sie niemals mißverstanden werden.

Thomas Winkler

Desmond Q. Hirnch: „music“ (Nois-o-lution/ EFA) Record Release Party am 28.3. im Waschhaus, Schiffbauergasse 1, Potsdam, und am 20.4. in Huxleys Cantina

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