piwik no script img

Ausreisepolitik

■ Jüdische Sowjetbürger dürfen nach Israel ausreisen

Die Entscheidung lag in der Luft. Daß sie so schnell kam, überrascht. Mit der Absichtserklärung, ausreisewilligen jüdischen Sowjetbürgern die Emigration nach Israel zu erlauben und das jüdische Gemeindeleben in der UdSSR in vollem Umfang wiederherzustellen, will die sowjetische Führung einen weiteren innenpolitischen Konfliktherd entschärfen und außenpolitisch an Terrain gewinnen. Obwohl die sowjetischen Juden schon unter Stalin vielfältige Unterdrückung erleiden mußten, wurden die „Refusniks“ erst seit Helsinki in der UdSSR zu einer Belastung für die sowjetische Politik. Die Forderungen nach Verwirklichung der Menschenrechte, nach Auflösung der Lager und psychiatrischen Kliniken, die internationalen Kampagnen zur Befreiung der politischen Gefangenen wiesen auf die noch offenen Wunden des Archipel Gulag und legten die Schwachstellen des Systems bloß. Doch bei der Ausreiseerlaubnis für die 11.000 sowjetischen Juden geht es nicht mehr nur um innenpolitische Zwänge. Die Entscheidung, die Ausreisewilligen via Rumänien und nicht über Wien nach Israel reisen zu lassen, entspricht den Wünschen Israels. Entschieden sich früher viele Emigranten, aus Wien direkt in die USA zu reisen, so ist diese Alternative zunächst versperrt. Mit diesem Entgegenkommen leitet Gorbatchow eine neue Israel–Politik ein. Eine neue sowjetische Nahostpolitik wäre der nächste Schritt. Erich Rathfelder

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen