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Ausmanövriert

■ Die DDR-Atomwirtschaft zerschellt am Realismus der westdeutschen Stromkonzerne

KOMMENTARE

Fällt den Atomkritikern in der DDR wie eine reife Frucht in den Schoß, wofür westdeutsche Aktivisten seit bald zwei Jahrzehnten vergeblich gestritten haben? Es sieht beinahe so aus. Nach den jüngsten Äußerungen des Bonner Reaktorministers Klaus Töpfer und des Kabinettschefs von EG -Vize Martin Bangemann ist ein AKW-freies DDR-Territorium keine ferne Vision mehr. Wenn demnächst BlockI der Atomzentrale Greifswald und der fast vergessene Uralt-Meiler Rheinsberg am Stechlinsee ausgeknipst werden, herrscht atomare Ruhe im Land - bis auf weiteres.

Die beiden genannten Herren haben sich bisher nicht als Gegner der Atomenergie profiliert. Im Gegenteil: Mit der erklärten Absicht, zu retten was zu retten ist, schickte Töpfer noch zu Jahresbeginn seine Experten-Crew von der Gesellschaft für Reaktorsicherheit nach Greifswald. Doch den Atomfreunden aus dem Westen sträubten sich die Nackenhaare angesichts der Zeitbombe, die sie an der Ostsee vorfanden. Die maroden Blöcke wurden einer nach dem anderen abgeschaltet. Gleichzeitig jedoch standen die professionellen Nachrüster und Rekonstrukteure schon auf der Matte. Siemens witterte das plötzliche Ende einer schier endlosen Durststrecke, die die Erlanger Reaktorbauer vor der Wende in der DDR an den Rand der Verzweiflung gebracht hatte. Nun winkte nicht mehr und nicht weniger als die Ausstattung sämtlicher sowjetischer Steinzeit-Reaktoren in Osteuropa mit teurer West-Elektronik. Ein Jahrhundertgeschäft. Töpfer und andere schürten - im Gleichklang mit den Siemens-Herren - beständig die Hoffnungen der Ost-Atomiker, man werde die spröden Meiler schon wieder in Ordnung und dann ans Netz bringen.

Und nun? Bessere Einsicht? Angst vor der eigenen Courage angesichts des Ausmaßes des Sicherheitsdebakels? Mitnichten. Der tiefere Grund der offenbar zwischen Bonn und Brüssel abgesprochenen Kehrtwende ist nachzulesen in jenem umstrittenen Stromvertrag, den jüngst der Ostberliner Reaktorminister Karl-Hermann Steinberg mit drei westdeutschen Stromkonzernen vereinbart hat. Darin weigern sich RWE, Preussen Elektra und Bayernwerk schlicht, die Verantwortung für das abgewrackte AKW-Arsenal jenseits der Elbe zu übernehmen. Mit den Blöcken I bis IV in Greifswald und dem Steinzeit-Modell in Rheinsberg soll die Treuhand, also letztlich die Bundesregierung, sehen, wie sie zu Rande kommt. Die im Bau befindlichen (und doch schon wieder veralteten) Meiler in Greifswald und Stendal wollen die West -Stromer erst übernehmen, wenn eine atomrechtliche Genehmigung nach bundesdeutschem Atomrecht vorliegt. Die jedoch steht in den Sternen. Weit und breit ist kein Interessent in Sicht, der die vor sich hindümpelnden Baustellen übernehmen und die Milliarden für die Fertigstellung der Meiler bereitstellen wollte. Selbst dann wäre eine gerichtsfeste Genehmigung nach all den bis heute bekannten Schlampereien beim Bau und den „nicht heilbaren“ Sicherheitsdefiziten eher unwahrscheinlich.

Pech für die entäuschten Atomiker in der Noch-DDR: Auch der Staat wird sich in diesem Fall hüten, einzuspringen, wo private Interessenten passen. Der Bonner Reaktorminister müßte dann nämlich in letzter Konsequenz die Genehmigungsanträge selbst stellen, über die er zu entscheiden hat.

Die Karre steht tief im Dreck. Ob überhaupt noch jemand an ihr zieht, ist derzeit kaum auszumachen. Die AKW-GegnerInnen in Ost und West sollten trotzdem wachsam bleiben. Solange, bis Klaus Töpfer allen Ost-Reaktoren die noch gültigen Betriebsgenehmigungen entzieht. Erst dann können die Sektkorken knallen.

Gerd Rosenkranz

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