Ausfuhren von Pestiziden: Mehr Exportverbote gefordert

Die Ampelkoalition müsse Ausfuhren von allen in der EU untersagten Giften verhindern, so Umweltschützer. Doch so weit will man in Berlin nicht gehen.

Hubschrauber versprüht Pflanzenschutzmittel im Weinberg

Fluch oder Segen? Sprühung gegen Pilzbefall im Weinberg Foto: imago

BERLIN taz | Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen fordern, mehr Exporte von hierzulande verbotenen Pestiziden zu untersagen als von Agrarminister Cem Özdemir geplant. Der Grüne müsse eine Reform des Pflanzenschutzgesetzes einleiten, um künftig die Ausfuhr besonders gesundheits- und umweltschädlicher Wirkstoffe zu verhindern, verlangten das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das entwicklungspolitische Netzwerk Inkota und das Pestizid Aktions-Netzwerk am Montag. Özdemir hat bisher nur eine Verordnung angekündigt, die die AktivistInnen zwar begrüßen, aber durch ein neues Gesetz ergänzt wissen wollen. Denn per Verordnung lässt sich laut einem Rechtsgutachten der Verbände nur die Ausfuhr kompletter Pestizidprodukte, aber nicht von Wirkstoffen in purer Form unterbinden.

Die Ampelparteien haben in ihrer Koalitionsvereinbarung zudem nur Exportverbote für Pestizide versprochen, die in der EU aus Gesundheitsgründen untersagt sind. Die Verbände verlangten nun, zusätzlich Substanzen ins Visier zu nehmen, die wegen ihrer Gefahr für die Umwelt verboten worden sind.

Die AktivistInnen kritisieren es als unverantwortlich, hierzulande als zu gefährlich eingestufte Stoffe in andere Länder zu verkaufen. Weltweit erlitten jährlich 385 Millionen Menschen akute Pestizidvergiftungen, 11.000 würden daran sterben – vor allem im Globalen Süden. Weitere würden zum Beispiel an Krebs erkranken. „Viele der in der EU verbotenen Pestizide gelangen in Form von Rückständen über den Import von belasteten Südfrüchten zurück in die Supermärkte Europas“, so die Verbände. Das ist auch ein Wettbewerbsnachteil für EU-Bauern. Die Chemikalien werden außerdem mitverantwortlich dafür gemacht, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben.

Deutschland hat dem Agrarministerium zufolge im vergangenen Jahr 8.525 Tonnen in der EU nicht genehmigte Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln exportiert. Rund 160 der Substanzen seien Wirkstoffe mit potenziell gesundheitsschädlichen Eigenschaften. Insgesamt trägt die Bundesrepublik nach Angaben der Organisationen 9,5 Prozent zum globalen Pestizidexportgeschäft bei.

Deshalb kündigte Özdemir am Montag an, bis Ende des Jahres werde ein Referentenentwurf für ein Verbot per Verordnung vorliegen. „Zuvor wurden diverse andere Rechtsetzungswege untersucht“, erklärte sein Ministerium. Warum es keine Reform des Pflanzenschutzmittelgesetzes plant, ließ es bis Redaktionsschluss auch auf Nachfrage der taz offen.

Dabei scheint die Lücke, die die Verordnung lassen würde, erheblich zu sein. „Im Jahr 2019 wurden zum Beispiel gar keine verbrauchsfertigen Pestizidprodukte exportiert, die den Wirkstoff Chlorfenapyr enthalten. Im selben Jahr lag der Export von reinem Chlorfenapyr als Wirkstoff aus Deutschland aber bei mehr als 28 Tonnen“, berichteten die UmweltschützerInnen. „Chlorfenapyr ist in der EU im Pflanzenschutz nicht genehmigt und gilt als giftig für Bienen und sehr giftig für Wasserorganismen.“

Der Industrieverband Agrar, der die deutschen Pestizidhersteller vertritt, lehnte ein Ausfuhrverbot aller in der EU nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittel ab. „Denn es würde die importierenden Länder wichtiger Hilfsmittel zum Schutz ihrer Ernten und damit der Ernährungssicherheit berauben“, schrieb ein Sprecher der Organisation der taz. Für zahlreiche Pestizide würden in der EU Zulassungen gar nicht erst beantragt, weil die betreffenden „Kulturpflanzen hier nicht angebaut werden oder die Schädlinge hier nicht vorkommen“. Ein erheblicher Teil der betroffenen Exporte gehe in Industriestaaten wie die USA, Kanada oder Japan. „Diese Länder haben robuste Zulassungsverfahren, die sich allerdings von dem der EU unterscheiden.“

Silke Bollmohr, Welternährungsreferentin von Inkota, antwortete darauf, es handele sich auch um Wirkstoffe, die in der EU jahrelang genehmigt waren und dann aufgrund neuer Erkenntnisse ihre Zulassung verloren haben.

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