: Aus für den Tunnel ?
■ Neues Gutachten erhebt schwere Vorwürfe gegen Schulte / Tunnel und Straßenbahnlinie 4 unwirtschaftlich
Stolz hatte Bausenator Bernt Schulte (CDU) in der letzten Woche noch ein Gutachten zur „integrativen Verkehrsplanung“ Bremens vorgelegt. Die Ingenieure hatten ihm darin den Bau des Hemelinger Tunnels und den der Straßenbahnlinie 4 ausdrücklich empfohlen. Jetzt sorgt ein neues Gutachten für Aufregung im Bauressort. Das Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik hat beide Großprojekte überprüft. Ergebnis: Der Hemelinger Tunnel und die Linie 4 rechnen sich nicht.
Am Donnerstag entscheiden SPD und CDU im Koaltionsausschuß über die beiden Großprojekte. Das Gutachten wird dann auf den Tischen der Koaltionäre liegen. Der Senat selbst hatte es in Auftrag gegeben – die Fraktionsvorstände von CDU und SPD hatten ihn unter Druck gesetzt. Dennoch ist das Bauressort bestürzt darüber, daß das Gutachten schon jetzt in der Öffentlichkeit kursiert. „Ich kenne das Gutachten nicht“, bekannte Dr. Hartmut Spieseke, Sprecher des Bausenators, gestern gegenüber der taz. „Eigentlich ist es unter Senatskollegen üblich, daß das Gutachten zuerst der zuständige Senatskollege zu sehen bekommt.“
Die Gutachter machen dem Bausenator nämlich schwere Vorwürfe: Der Hemelinger Tunnel kostet über 33 Jahre gerechnet rund 1,2 Milliarden Mark. Nach den Berechnungen der Wirtschaftswissenschaftler bringt er jedoch nur 1,1 Milliarden Mark an sogenannten Einnahmeeffekten. Diese Einnahmen setzten allerdings voraus, daß durch den Tunnel bei Mercedes-Benz 2.200 Arbeitsplätze gesichert werden. Darüber hinaus müßten 2.000 neue Arbeitsplätze im Gewerbegebiet Funkschneise und der Osterholzer Feldmark geschaffen werden. Der Haken ist nur: Die Feldmark ist überhaupt noch nicht als Gewerbegebiet ausgewiesen.
Um überhaupt Geld aus dem 4,8 Milliarden-Mark schweren Topf des Investitions-Sonderprogramms zu bekommen, dürfe der Tunnel nach den Berechnungen der Gutachter nicht mehr als 300 bis bis 400 Millionen Mark kosten. Ansonsten rechne sich das Projekt nicht. Auch die von der Baubehörde geschätzten Baukosten von rund 500 Millionen Mark zweifeln die Gutachter an. Sie seien „um zehn bis 15 Prozent überhöht“. Schulte habe – schließen die Gutachter Professor Heinz Schaefer und ProfessorManfred Zachcial – „keinen Versuch gemacht, ... die steuerlichen oder arbeitsplatzschaffenden Effekte des Tunnels darzulegen.“
Ein Vorwurf, den Bauressort-Sprecher Spieseke nicht auf seinem Chef sitzenlassen mag. „Wir haben den Hemelinger Tunnel in mehreren Gutachten überprüfen lassen. Das Zahlenwerk ist solide. Ich kenne das andere Gutachten zwar nicht, aber ich habe große Zweifel, daß die berichteten Zahlen richtig sind. Bei Verkehrsprojekten ist es immer sehr schwierig, die direkten arbeitsplatzschaffenden Maßnahmen vorab genau zu bestimmen.“
Auch dem Bau der Linie 4 stehen die Gutacher skeptisch gegenüber: 80 Prozent der jetzigen Fahrgäste hätten von dem Bau der Straßenbahnlinie bis zum Leher Kreisel nur Nachteile. Doch auch der Bau bis Borgfeld bedeute für die Lilienthaler keine Verbesserung. Der Ausbau nach Lilienthal lohne sich auch nicht: Dort sei täglich nur mit 4.100 Fahrgästen zu rechnen. Dies – so die Gutachter – „ist für eine Straßenbahnlinie ausgesprochen wenig; die meisten Straßenbahnlinien in Bremen erreichen an den Endhaltestellen noch Querschnittsbelastungen von annähernd 10.000 Fahrgästen pro Tag.“ Außerdem sehen die Gutachter keine Chancen, für die Linie Geld aus dem ISP-Topf zu bekommen. „Da eine nachhaltige Verbesserung der bremischen Finanzkraft mit dem Bau der Linie nicht belegt werden kann, ist dieses Projekt aus ISP-Mitteln nicht finanzierbar.“ kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen