: Aus für Bulle und Bär
FINANZMARKT Auf der Suche nach neuen Symbolen für die Börse
Dem Frankfurter Börsenvorplatz stehen einschneidende Veränderungen bevor. Schon in den nächsten Tagen werden wohl Bulle und Bär als tierische Börsensymbole ihren angestammten Platz verlieren und Nachfolgern weichen müssen. Jürgen Plötz von der Frankfurter Bauaufsicht erklärt die Umstände und wirkt dabei sogar erleichtert: „Seien wir mal ehrlich: Selbst unter den Experten wusste doch so recht niemand, was ausgerechnet diese beiden Schwergewichte mit dem schnelllebigen Börsengeschehen zu tun haben sollen. Manche dachten sogar, es sei bloß auf das Material der Skulpturen angekommen. Der Grünspan auf dem Kupferanteil der Legierung sei ein Hinweis auf Alan Greenspan, den langjährigen Chef der US-Notenbank, gewesen. Und Börsenmakler glauben ja so ziemlich alles, wenn nur der Name Greenspan dabei fällt.“
Nun sucht eine Jury nach tierischen Kandidaten, die zielstrebiger für das Geschehen im Aktienhandel stehen. In Zusammenarbeit mit Vertretern der lokalen Zoologischen Gesellschaft und dem Frankfurter Institut für Sozialforschung hat man vorurteilsfrei die Fauna durchkämmt und eine ganze Reihe Tiere ausgemacht, die einen natürlichen Bezug zu monetären Themen haben. Nach dem gescheiterten Wettbewerb für das Berliner Einheitsdenkmal waren viele Teilnehmer sofort bereit, ihren Vorschlag unter leichten Veränderungen den Frankfurter Wünschen anzupassen.
Der britische Künstler Peter Greenaway nahm es mit der Entfernung jeglicher grünlicher Reminiszenzen sehr ernst und präsentierte eine Doppelstatue aus einem Hamster und einem Maulwurf. Der Hamster, so Greenaways Erläuterung, stehe für das scheinbar altbackene Bemühen, Vorräte sukzessive aufzustocken. Der Maulwurf hingegen lebe nach der Devise „Alles muss raus!“ und repräsentiere somit den zeitgenössischen Konsumterror, der keine Zukunft und Nachhaltigkeit mehr kenne. Allerdings ist das britische Multitalent hintersinnig und Realist genug, um den Hamster reichlich abgemagert darzustellen.
Ein exotischeres Tierpaar stellt der Italiener Silvio d’Argente zusammen. Seine Skulptur bevölkern eine Elster und eine Auster. Diese hat ihre Schalen weit geöffnet und lässt die Perle blitzen. Die Elster trägt einen Ring im Schnabel und weiß offensichtlich nicht, ob sie ihn fallen lassen und lieber die Perle nehmen soll. Dieser Konflikt scheint auch für den Laien nachvollziehbar den Alltag auf dem Börsenparkett realistisch darzustellen.
Den norwegischen Künstler Jostein Fjordgaard wiederum hat das Sprichwort nicht losgelassen, wonach das Kapital einem scheuen Reh gleicht. Wer es aber in großen Sätzen aus seinem Entwurf flüchten wähnt, sieht sich getäuscht: Mitten im Sprung wird es von einem Dachs gepackt und gierig angeknabbert.
Viele andere der eingereichten Vorschläge indessen wirken den jüngsten Entwicklungen in der internationalen Finanzwelt nicht angemessen. Ein Goldfisch und ein Silberfischchen, die mit einem Gläschen Sekt auf einen erfolgreichen Börsentag anstoßen oder ein quiekfeines rosa Sparschwein, das zusammen mit einem Huhn, das goldene Eier legt, beim Fuchs von Schwäbisch-Hall in einem staatlich finanzierten Neubau Unterschlupf findet – das alles wirkt zu deutsch und auf einem internationalen Geldgelände wie der Frankfurter Börse deplatziert.
Das bedeutet freilich nicht, dass globaler ausgerichtete Beiträge per se stimmiger wären. So mutet das fünf Meter hohe Monument des sinoamerikanischen Künstlers Pe Nun Tse, das aus dem Comic-Paar Ahörnchen und Behörnchen besteht, zu unscharf konturiert, auch wenn das „A“ des einen für „Aktien“ und das „B“ des anderen für „Bundesschatzbriefe“ stehen soll.
Interessanter wirkt da schon der Beitrag von Jürgen Habermas, der pünktlich zu seinem 80. Geburtstag nun auch in der letzten Disziplin reüssieren will, die seinen Weltgeist noch nicht hat atmen dürfen. Er will es nach einem Anfall von Revisionismus einfach bei Bulle und Bär belassen – allerdings mit angeklebten Namensschildchen. Der Bär soll „Teddy“ heißen und an seinen Lehrer Adorno erinnern. Am Stierhorn pappt dagegen ein Zettel mit dem Aufdruck „Bully“, was für den legendären VW-Bully steht, in dem Habermas immer seinen Lehrherrn Adorno zur Sparkasse kutschieren musste, wenn der mal wieder völlig klamm war und frisches Geld vom Institutskonto benötigte. Man darf gespannt sein, wie tierisch gut die Jury bei ihrer Auswahl für das Symbol drauf sein wird. REINHARD UMBACH