Aufräumarbeiten in Fukushima: Humus zu Asche

Schon ein Jahr nach der Katastrophe begannen Arbeiter, die 52 Städte im Umkreis zu dekontaminieren. Doch es bilden sich weiter Hotspots.

Millionen Säcke mit radioaktivem Müll türmen sich in Fukushima.

Millionen Säcke mit radioaktivem Müll türmen sich im Zwischenlager von Fukushima Foto: Jonas grater/getty

TOKYO taz | Chieko Watanabe wirft einen letzten Blick auf ihr altes Zuhause in der Präfektur Fukushima, das sie auf der Flucht vor der Strahlung vor zehn Jahren verlassen musste. Die Haustür ist längst zugewachsen, die Fensterscheiben sind zerbrochen. Überall liegt der Kot von Wildschweinen. „Ich liebe diesen Platz, den Wind, die Reisfelder“, trauert die 69-Jährige Witwe. „Aber ich sehe keinen anderen Weg, als mein Haus aufzugeben, damit der Wiederaufbau weitergeht.“

Bald kommt der Abrissbagger, danach wird hier schwach radioaktive Erde aufgeschüttet – bis zu 15 Meter hoch. Ihr Grundstück liegt nahe der zerstörten Atomanlage. Auf dem umliegenden Areal entsteht ein Zwischenlager für die strahlenden Reste der Dekontaminierung. Dafür kauft die Regierung eine 16 Hektar große Fläche auf, fünfmal so groß wie das AKW selbst.

Schon ein Jahr nach der Katastrophe begannen Arbeiter in Schutzanzügen, die 52 Städte im Umkreis von 30 Kilometern zu dekontaminieren. 24 Milliarden Euro wurden dafür ausgegeben. Dabei entfernten die Säuberungstrupps von allen Flächen, seien es Reisfelder, Beete, Rasen oder Spielplätze, die obersten fünf Zentimeter. Die Arbeiter spritzten Hausdächer, Straßen und Wege ab und filterten das Schmutzwasser. Bäume, Hecken und Sträucher wurden beschnitten, Laub und Unterholz wurde eingesammelt. Nur die Wälder blieben außen vor. Die Reinigung senkte das Strahlungsniveau, auch wenn sich durch Regenwasser immer wieder Hotspots bilden.

Zehn Millionen Säcke

Jahrelang verschandelten 14 Millionen Plastiksäcke mit den Abfällen die Landschaft an 100.000 Stellen. Inzwischen türmen sich zehn Millionen Säcke in einem Zwischenlager, die restlichen folgen bis März nächsten Jahres. Metalltrommeln sieben, schreddern und sortieren dort den Inhalt der Säcke. Der Bioabfall wird verbrannt und die Asche deponiert. Die verbliebene Erde wird neun gewaltige Gruben füllen. Dort verteilen Bagger das Material.

Bei der Aufbereitung der Säcke wird die Erde, die vor allem Cäsium-137 enthält, je nach Höhe der Strahlung vorsortiert. Die Radioaktivität ist so gering, dass die Arbeiter keine Schutzkleidung tragen. Das Umweltministerium will Erde mit weniger als 8.000 Becquerel pro Kilogramm recyceln: Zum einen im Unterbau von Straßen, zum anderen unter der Oberfläche von Gemüsefeldern. Pilotversuche laufen.

„Wir haben der Bevölkerung von Fukushima versprochen, dass das Zwischenlager nur 30 Jahre hier bleibt“, erklärt Deponievizechef Takahiro Hasegawa. Das Recycling soll die Abfallmenge verringern. Doch nicht alle evakuierten AKW-Anrainer spielen mit. Bisher konnte die Regierung nur 75 Prozent der benötigten Flächen erwerben. Ein Teil der 2.400 Besitzer vermietet seine Parzelle nur, ein anderer Teil verweigert den Verkauf. Anders Frau Watanabe, die sich ein neues Haus gebaut hat: „Wenigstens wohne ich noch in meiner alten Stadt“, tröstet sie sich.

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