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Archiv-Artikel

Aufgestiegen vom Katzentisch

betr.: „Schwere Kröten“, taz vom 17. 6. 06

Was hat der Tarifabschluss des Marburger Bunds gebracht? Den Patienten: Sie werden jetzt von Ärzten behandelt, die zwar immer noch unter hundserbärmlichen Arbeitszeiten leiden, in vorsintflutlich-hierarchischen Systemen arbeiten müssen, das Gehalt bekommen, was Ver.di schon vor Monaten für sie „verhandelt“ hat, aber an Feiertagen, da bekommen sie nun 25 Prozent Zuschlag. Da wird doch die Behandlung der Patienten sich stark verbessern.

Den Ländern: Sie haben nur unwesentlich mehr ausgegeben als das, was sie durch den Abschluss mit Ver.di schon an Mehrbelastung auf die Landeshaushalte zuschlagen mussten. Aber sie haben nun gute Argumente, das Personal zu verringern (so schon die Mainzer Uni-Klinik). Das wird die Ärzte nur geringfügig jucken, denn sie gehören ja nicht mehr zu den Beschäftigten, die sich mit Friedhofsgärtnern und Leuchtturmwärtern vergleichen lassen müssen. Das sind ja nur die Pflegekräfte und sonstige Hiwis in den Uni-Kliniken.

Herrn Dr. Montgomery: Er hat Geschichte geschrieben (nach eigener Aussage). Er ist vom Katzentisch, an dem er sonst bei den Verhandlungen zwischen Ver.di und der Tarifgemeinschaft der Länder sitzen musste, an einen eigenen Tisch mit den wichtigen Leuten gekommen. Er hat den guten neoliberalen Grundsatz „Eigennutz geht immer vor Gemeinnutz“ mit Leben erfüllt. Er hat das Ver.di-Monopol geknackt und die Tarifeinheit im öffentlichen Dienst zerstört. Na, das ist doch auch was.

Den Bürgern dieses Landes: Sie hatten geglaubt, es ginge um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Ärzte in den Krankenhäusern. Sie hatten geglaubt, die jungen Assistenzärzte sollten materiell etwas besser gestellt werden gegenüber ihren Chef- und Oberärzten. Sie hatten geglaubt, es ginge auch um den Abbau von Bürokratie in den Kliniken und um die Angleichung der Ost- an die Westgehälter. So kann man sich täuschen. Es ging um das eigene Profil eines Verbandes und das seines Vorsitzenden.

Ach ja, und die Ärzte? Nun ja, die waren gut. Die haben einerseits erfahren, was mit solidarischem Handeln theoretisch alles erreicht werden könnte. Sie haben aber auch erfahren, was durch eitle Funktionäre auch alles wieder in Frage gestellt wird. Eines aber haben sie auf alle Fälle erreicht. Ein Jahrtausende alter Grundsatz wurde wieder bestätigt. Da die Dres. es ja gerne lateinisch haben: divide et impera. REINHARD GOTTORF, Reinheim