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Press-SchlagAuf in die Pampa

■ Uli Hoeneß und die Schiedsrichter

An „Obergiesing gegen Untergiesing“ fühlte sich Franz Beckenbauer beim Münchner Derby Bayern – 1860 erinnert, Manager Uli Hoeneß indessen witterte einmal mehr finstere Machenschaften. Dunkle Kräfte, vorzugsweise in Schwarz oder Grün gewandet, sah er am Werk, die dem FC Bayern nichts als Böses wollen, und schnurstracks ging er daran, wirksame Gegenmaßnahmen auszubrüten. Unmittelbare Forderungen: freie Schiedsrichterwahl für geplagte Deutsche Meister, Immunität für Bayern-Spieler bei einfachen oder schweren Grätschvergehen, absolutes Jammerverbot für malträtierte Gegner und das Anhobbeln von Trainern des feindlichen Teams an ihrer Bank oder besser noch an der Spitze des Flutlichtmastes.

Wo kommen wir auch hin, wenn ein Schiedsrichter wie Hellmuth Krug einen Bayern- Spieler, der „keiner Fliege was zu leiden tun kann“ (Hoeneß), einfach vom Platz stellt, nur weil dieser mit mächtigem Tritt die Beine des Sechzigers Cerny, auf denen sich zu diesem Zeitpunkt offenbar keine Fliege befand, einer kleinen Belastungsprobe unterzieht. Glatte Majestätsbeleidigung ist das doch. Und was tut der infame 1860-Trainer Lorant, anstatt sich vor Krug auf den Boden zu werfen und um Gnade für Fliegenfreund Kuffour zu winseln: er beschwert sich. „Ungehörig und unkollegial“, wettert Hoeneß, der es ohnehin haßt, „wenn Spieler sich permanent auf dem Boden wälzen“. Also, Cerny, kracht es das nächste Mal am Schienbein, nichts anmerken lassen, freundlich lächeln und dem armen Gegenspieler aufhelfen. Könnte ja sein, daß er sich beim Grätschflug was getan hat.

„Herr Lorant hat die rote Karte doch provoziert“, war sich Hoeneß sicher, Schiedsrichter Krug jedoch behauptet, er habe Lorant „überhaupt nicht wahrgenommen“. Das wirft allerdings ein neues Problem auf. Ein Referee, der einen wenige Schritte von ihm entfernt tobsüchtelnden Werner Lorant nicht wahrnimmt, sollte möglicherweise tatsächlich eine Weile pausieren, und dies nicht nur bei Bayern-Spielen.

Ohnehin befinden sich die Topstars der pfeifenden Zunft hierzulande in einer tiefen Formkrise. Wie sonst ist es zu erklären, daß allein am Freitag Schiri Heynemann einen Hulk- Hogan-Griff des Lauterers Schjönberg gegen Kohler als normalen Körperkontakt empfand, und Schiri Merk den Leverkusenern gegen Wolfsburg den lächerlichsten Elfmeter der Saison zuerkannte.

Unser Vorschlag: Uli Hoeneß sollte eine „Heribert-Faßbender-Stiftung“ gründen, die nachhilfebedürftigen Bundesliga-Referees und ihren abseitsverdächtigen Assistenten einen Grundkurs im Rote- Karten-Eldorado Argentinien finanziert. Motto: Schiedsrichter in die Pampa. Matti

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