■ Bonn: Die Opposition übt sich in selbstgerecher Süffisanz: Auf die eigene Kraft vertrauen
Die Opposition hat in diesen Tagen viel Spaß. Genüßlich schaut sie zu, wie sich die Koalition immer tiefer in den Haushaltslöchern verfängt. Süffisant kommentiert sie die hektischen Versuche der Regierung, sich aus dem Schlamassel herauszuretten. Ihr Wetteifern ist nicht darauf gerichtet, den Wählern bessere Konzepte zur Krisenbewältigung zu unterbreiten. Nein, sie begnügt sich damit, immer schönere Sprüche zu finden, um die desolate Verfassung der Regierung zu beschreiben. In der Tat würde dies durchaus reichen, um die Wahlen zu gewinnen – wenn denn morgen Neuwahlen wären.
Schließlich ist die Koalition auch gestern keinen Schritt weitergekommen, die Haushaltsmisere zu beheben. Eine Lösung grenzte ja auch an Zauberei. Steuererhöhungen schließt die FDP aus und besteht zudem auf einer Senkung des Solizuschlages. Eine Neuverschuldung will Finanzminister Waigel nicht, weil damit die Einhaltung der strikten Maastricht-Kriterien gefährdet wäre. Privatisierungen sind kein Allheilmittel, weil sie, siehe Telekom, nicht sofort realisierbar sind. Und Einsparungen in nennenswerter Höhe, wie sie der Wirtschaftsrat der CDU gestern gefordert hat, scheitern auch am Widerstand in den eigenen Reihen. Und eine Hoffnung kann die Koalition ohnehin fahren lassen: die Mitwirkung der SPD.
Die SPD setzt darauf – und wer kann es ihr verdenken –, daß die Wähler die Koalition abwählen werden. Äußerungen von Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering, die SPD wolle „den Misthaufen nicht parfümieren“, und von Gerhard Schröder, Politikwechsel setze Machtwechsel voraus, zeigen, daß die SPD sich darauf beschränkt, die Koalition vor die Wand laufen zu lassen. Nicht daß sie keine Konzepte hätte, wie ihr Steuerkonzept beweist. Aber wie das Haushaltsloch zu beheben wäre, weiß die SPD genauso wenig wie die Koalition. Es ist zwar richtig, daß die SPD nicht die Verantwortung dafür trägt, doch was hilft ihr das – und uns allen –, wenn sie dereinst selbst in der Regierungsverantwortung steht?
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Möglicherweise hilft die wirtschaftliche Entwicklung der Regierung Kohl in letzter Sekunde ja doch noch aus der Patsche. Oder die Regierung riskiert mit Neuverschuldungen das Scheitern von Maastricht, was ihr viele Wähler nicht übel nehmen würden. Für die Opposition gilt daher: Nicht zu früh feiern, sondern auf sich selber setzen. Markus Franz
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