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Auf Staatsknete zu Schirinowski

■ Ex-DVU-Mitglied: „Wir sind mit Fraktionsgeldern nach Kaliningrad und Moskau gefahren“

Arbeit für den Rechnungshof: Während sich Bremens oberste BuchprüferInnen mühselig durch die DVU-Finanzen aus dem Jahr 93 quälen, steht schon der nächste Skandal ins Haus. Im Mai 1993 veranstaltete die DVU eine Lustreise zum russischen Rechtsausleger Wladimir Schrinowski – und zwar auf Staatskosten. Vom Flug bis zum Kaviar, alle Rechnungen sind aus der Kasse der Bürgerschaftsgruppe beglichen worden. Das erzählt das ausgestiegene DVU-Mitglied Klaus Blome. Unterdessen hat Rechnungshofpräsident Hartwin Meyer-Arndt eine Prüfung des Falles angekündigt: „Wenn sich das alles so abgespielt hat, dann ist das weit außerhalb des Rahmens. Ich wüßte nicht, wo da der Bezug zur bremischen Politik sein sollte.“

Die Idee für den politischen Freundschaftsbesuch war aus der Münchener Parteizentrale gekommen. Der Ex-DVU-Abgeordnete Klaus Blome: „Die anderen Parteien würden sich reisemäßig ja auch bedienen, hatten die damals gesagt.“ Also wurde eine Reiseleiterin angeheuert. Nadja Hoffmann, eine Moskauerin, inzwischen mit einem Deutschen verheiratet, war ohnehin bei allen deutsch-russischen Treffen am rechten Rand als Übersetzerin dabeigewesen. Also organisierte sie auch die Reise der Bremer. Die Fraktion war nach dem Austritt von Peter Nennstiel zwar mittlerweile zur Gruppe zusammengeschrumpelt, aber dafür sollte jetzt der Vater von Marion Blohm, Horst Meybauer mitfahren dürfen. Der ist Stadtrat in Bremerhaven, und schließlich ist Kaliningrad Bremerhavener Partnerstadt. Ob er die Grüße des Magistrats mitbringen solle, hatte Meybauer seine StadtratskollegInnen artig gefragt, und da hatte niemand etwas dagegen. Das Protokoll vermerkt keinen Widerspruch.

Also startete die Fünfergruppe auf ihre Reise Moskau-Kaliningrad-Moskau. Doch wer nun angesichts der Ost-West-Vernetzung Rechtsradikaler erschaudert, der sieht sich enttäuscht. In den sechs Tagen gab es viel zu besichtigen – aber politische Gepräche mit Schirinowski-Leuten gab es kaum. Es war doch eher eine Lustreise, denn eine politische. Nur einmal wurde die Gruppe vom Kalinigrader Stadtrat empfangen, unter reger Pressebeteiligung. Klaus Blome: „Der hat erst im Laufe des Gesprächs mitgekriegt, wer wir eigentlich sind. Da hat er uns für den nächsten Tag bestellt. Und da hat er uns abwimmeln lassen.“ Wahrscheinlich war der Kaliningrader einer kleinen Täuschung aufgesessen. Blome: „Der Meybauer war so großkotzig, die haben geglaubt, da kommt der Bürgermeister von Bremerhaven.“

So blieb den rechten Botschaftern allein die Suche nach dem nationalen Urschlamm (Blome: „Also Deutsche haben wir da keine getroffen.“) und was Leib und Seele zusammenhält. Schon am ersten Abend in Moskau hatten die fünf rechten Aufrechten, die jede Selbstbedienung bei den anderen Parteien gerne geißeln, nicht schlecht gelebt: Reichlich Wodka hatte es sowieso gegeben im First- Class-Hotel, in dem die Gruppe abgestiegen war, und dazu als Grundlage reichlich Kaviar. Blome: „In allen Farben.“ Und auch in Kaliningrad ließ die Gruppe was springen. Den Abschlußabend feierte sie in einem teuren Ausländerlokal, gemeinsam mit den Gastgebern aus der Schirinowski-Truppe.

Zurück in Moskau ging es gleich zum Höhepunkt der Reise: Das Treffen mit dem politischen Freund der Deutschnationalen, der jetzt den Deutschen mit Vernichtung gedroht hat. Schirinowski hatte zur Kundgebung mobilisiert und rund tausend Leute waren gekommen. Die hörten nicht nur Schirinowski, sondern außerdem die Rede eines irakischen Vertreters, der auf den US-Imperialismus schimpfen durfte, und sie erlebten den Auftritt von Marion Blohm. Die betonte ihre politische Freundschaft zu Schirinowski und daß die DVU auch eine rechte Partei sei und dann überbrachte sie auch noch „Grüße aus dem Bremer Parlament“.

Nach der Kundgebung ging es in ein Nobellokal zur Feier, und da setzte sich Schrinowski tatsächlich an den Tisch der deutschen Gäste, sagte, daß der Krieg schließlich vorbei sei und daß es an der Zeit sei zu vergessen, und dann schenkte er Wodka ein, und nach fünf Minuten war das deutsch-russische Spitzengespräch beendet. Der Mann hatte Wichtigeres zu tun.

Auch dieser Abend sei feucht und fröhlich geworden, aber billiger als die vorhergehenden, so Blome. Schirinowski hatte eingeladen, immerhin, denn alle anderen Kosten des knapp einwöchigen Urlaubs seien komplett aus den Mitteln finanziert worden, die die DVU Monat für Monat für ihre parlamentarische Arbeit von der Bürgerschaftsverwaltung überwiesen bekommt.

Dem Rechnungshofpräsidenten stehen die Haare zu Berge. Zwar sind auch andere Fraktionen schonmal weggefahren, aber nie alle und bei voller Kostenübernahme. Bei der SPD beispielsweise kam die Hälfte der Gelder aus der Privatschatulle, erinnert sich Fraktionschef Claus Dittbrenner. Also wird der Rechnungshofpräsident in den kommenden Tagen offiziell bei der DVU anfragen, wer die Reise finanziert hat. Meyer Arndt: „Das wollen wir doch mal wissen, was da los ist.“ Jochen Grabler

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