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Auf See und vor Gericht...

... ist man in Gottes Hand. Eine feudale Hand – die Villa des Seegerichtshofes in Nienstedten, der gestern zum siebten Male tagte  ■ Von Elke Spanner

Piraterie wird im 21. Jahrhundert in Nienstedten verhandelt. Über die Eroberung fremder Schiffe, die Aneignung deren Beute und die Frage, wem die auf Meeresgrund liegenden Schätze gehören, wird heutzutage nicht auf See, sondern in einer feudalen Villa gestritten. Das maritime Ambiente vermittelt allein das nahe Wasser der Elbe, wenn am internationalen Seegerichtshof 21 Richter die Dramen moderner Seeschifffahrt entscheiden.

Die Fälle hören sich zunächst nach belanglosen Vorgartenstreitigkeiten an: Fischfangrechte vor den Kerguelen Inseln, Zollbestimmungen vor der westafrikanischen Küste und die Frage, ob ein beschlagnahmtes Schiff von Guinea oder „St.Vincent und den Grenadinen“ aufgetankt werden muss. Allein das internationale Flair des Seegerichtshofes verrät, dass hier nicht einzelne Seeleute über ihren Job, sondern Staaten über staatliche Angelegenheiten verhandeln. Die Umgangssprache im Hamburger Domizil ist Englisch, im ersten Stock sind die Flaggen aller 135 Mitgliedsstaaten aufgebaut. Das Gebäude ist feudal, und die 21 Richter aus aller Welt werden für jeden Fall extra nach Hamburg eingeflogen.

„Die Größe des neuen Gebäudes“, hatte der erste Präsident Thomas A. Mensah dieses bei der Eröffnung im Dezember in Schutz genommen, „unterstreicht die Bedeutung, die Deutschland unserer Institution zuschreibt“. Die allerdings liegt mehr im symbolischen als im praktischen Nutzen. Denn seit der Eröffnung des Seegerichtshofes im Jahr 1996 – zunächst einem provisorisch genutztem Gebäude – hatte dieser nicht mehr als sechs Fälle zu verhandeln, wobei drei davon sogar ein und denselben Streit betrafen. Gestern entschied das Gericht seinen siebten Fall.

Die Richter urteilten weise, sie seien nicht zuständig. Frankreich hatte das Fischereischiff, das unter der Flagge Belizes läuft, im Dezember im Indischen Ozean beschlagnahmt. Der Grund: Die Seeleute hätten in der französischen Wirtschaftszone rund um die Insel Kerguelen illegal gefischt. Belize hingegen hatte die Herausgabe der „Grand Prince“ beantragt. An Bord hätten sich rund 18 Tonnen einer seltenen Art Seehecht und 200 Kilogramm Hummer befunden.

Frankreich scheint in der modernen Piraterie ohnehin die führende Nation zu sein. Denn schon in zwei weiteren Fällen hatten andere Staaten die Herausgabe ihrer Schiffe erstritten, die von Frankreich festgesetzt worden waren. Ebenfalls in der Wirtschaftszone der Kerguelen hatte Frankreich im November die „Monte Confurco“, ein Schiff der Seychellen, angehalten und auf der Insel Reunion festgesetzt. Im Dezember hatte der Gerichtshof die Herausgabe des Schiffes gegen eine Kaution von 18.000.000 Francs entschieden. Und Panama klagte im Januar 2000 die „Camuoco“ wieder von Frankreich frei.

Illegale Fischerei beschäftigte die 21 Richter auch im Sommer 1999. Neuseeland und Australien hatten gegen Japan geklagt, weil japanische Seeleute zu viel Südlichen Blauflossenthunfisch aus den Meeren gezogen und dadurch den Bestand gefährdet hätten. Am 27. August 1999 hatte der Gerichtshof Japan verdonnert, die jährlich im voraus vereinbarten nationalen Fangkontingente einzuhalten.

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