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Auf Safari im Differenzraum

Wäre dieser Sommer ein richtiger Sommer, würde man sich sofort eine der 500 Evian-Plastik-Tragen aus dieser Ausstellung schnappen: Die Galerie Arndt & Partner zeigt Arbeiten des französischen Künstlers Claude Lévêque

Wäre dieser Sommer ein richtiger Sommer, hätte er sich also nicht zu dieser abartigen mitteleuropäischen Monsunzeit entwickelt, womöglich klänge der Ausstellungstitel „d’evian“ nicht so eindeutig nach „déviant“, also abweichend. Wäre dieser Sommer ein richtiger Sommer, hörte man in diesem Titel nur das Versprechen von kühlem, erfrischendem Mineralwasser aus Evian. Vielleicht ist das mit dem Sommer ja gut so. Sonst wäre man unter Umständen nicht so schnell auf das Wortspiel gekommen, das Claude Lévêque mit seiner Installation in der Galerie Arndt & Partner in Szene setzt.

Doppeldeutig aber ist die ganze Anlage. Am Anfang steht der neonrot leuchtende Schriftzug „d’evian“ in fragiler, freilich durchaus fröhlicher Krakelschrift. Dreht man sich um, stößt man im zweiten Raum auf eine Wand aus 500 standardisierten Evian-Plastik-Tragen. Tüll umhüllt schimmert sie düster im Dunkeln und bildet einen Raum im Raum. Geht man der Wand entlang und stößt so in diesen Raum vor, strahlt das Rot von „d’evian“ plötzlich beruhigend durch die offene Struktur.

Der Wand entlang wendet man sich wieder um und steht nun in einem dritten Raum, in dessen vollkommener Schwärze weiße Lilien schweben. Sie liegen auf kleinen Plexiglas-Podesten, die das Schwarzlicht aber unsichtbar macht. Natürlich sieht das ganz fürchterlich kitschig aus. Wie Mapplethorpe dreidimensional. Sehr schwül. Man ist also regelrecht froh, dass man durch die rote Krakelschrift wieder geerdet wird, die am Ende der Sichtachse wieder auftaucht, sobald man sich wieder umwendet. Man glaubt jetzt sehr wohl, Wasser könnte Erfrischung in diese unheimlichen Begegnung mit Schönheit und Pathos bringen. Und man weiß, wie subtil und treffend das ganze Arrangement gestaltet ist. Allein die vielen Kehrtwendungen, zu denen man auf der kurzen Strecke gezwungen ist und die die Anlage jedes Mal tatsächlich in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Visuell wie konzeptuell. Lévêques Lichtregie erinnert an Bob Wilson, die Installation erscheint daher auch eher ins Theatralische als Skulpturale zu tendieren. Sie ist ein Hybride und die Situation, in der man sich befindet, keineswegs klar.

Alterität ist denn auch das Thema, das Lévêque bearbeitet, der zu den präsentesten französischen Künstlern der internationalen Kunstszene zählt – auch wenn er in Deutschland bislang nur wenig in Erscheinung trat. „Ich denke“, sagt er, „dass die zeitgenössische Kunst eine Raum der Differenz hervorbringen kann, in dem die Dinge neu entdeckt werden können, jenseits der Konsumzwänge, welche uns von herabwürdigenden Medien, korrupten Politikern und den Verkäufern von Spielen, Häusern und Autos diktiert werden.“

BRIGITTE WERNEBURG

Bis 31. 8., Zimmerstr. 90–91, Mitte, Di.–Sa. 11–18 Uhr

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