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Auch in Buch wurden Medikamente getestet

■ Klinikdirektor hält die Erstanwendung von Westmedikamenten im Osten für möglich

Berlin. Kein westlicher Pharmakonzern hat in der Berliner Charité die »erstmalige Anwendung« von Arzneimitteln an Menschen testen lassen. Mit dieser Aussage reagierte der Dekan des Bereiches Medizin der Humboldt-Universität Berlin, Prof. Dr. Harald Mau, auf einen Bericht des Nachrichtenmagazins 'Der Spiegel‘, demzufolge westliche Arzneimittelhersteller neuentwickelte Medikamente mit schweren Nebenwirkungen in Kliniken der damaligen DDR getestet hätten.

Prof. Mau bestätigte, daß seit 1983 an der Charité 51 klinische Testreihen mit westlichen Medikamenten gelaufen seien. Vermittelt wurden die Aufträge von der Firma Berliner Import& Export GmbH (BIEG), deren Chef der SED-Devisenbeschaffer Alexander Schalck- Golodkowski war. Ein Teil der Präparaterprobungen betraf die Importzulassung von Arzneimitteln, die im Westen bereits angewendet wurden. Andere Arzneimittel wurden in der sogenannten Phase II probiert, das heißt, nachdem ihre Verträglichkeit bereits an gesunden Menschen in den Herstellerländern ausprobiert worden war, wurden sie auf ihre Wirksamkeit gegenüber bestimmten Erkrankungen getestet. Alle Patienten seien seines Erachtens darüber informiert gewesen. Allerdings werde er Untersuchungen an der Charité einleiten, ob Ärzte sich der Verletzung der Sorgfalts- und Fürsorgepflicht sowie der ärztlichen Ethik schuldig gemacht hätten. Mau schloß nicht aus, daß Patienten, die mit in der DDR noch nicht zugelassenen ausländischen Medikamenten behandelt wurden, »aus Schlampigkeit« vom behandelnden Arzt nicht informiert worden sind. Er sei auch heute noch der Meinung, so Mau, daß die Versuche wichtig und notwendig gewesen seien. »Einerseits kamen die Mediziner in der DDR auf diese Weise an Medikamente heran, die sie auf normalem Weg für ihre Patienten nie bekommen hätten, andererseits konnten die Kliniken sich so Mittel verdienen, um dringend benötigte Materialien zu erwerben.«

Genannt ist in der Veröffentlichung des Hamburger Nachrichtenmagazins auch das Klinikum Berlin- Buch. Dessen Direktor, Dr. Roland Jacob, erklärte, er glaube, daß im Klinikum tatsächlich Medikamente das erste Mal beim Menschen angewendet wurden. Er wisse aber, daß dafür niemals Westgeld angekommen sei. Das ging an die Staatskasse. adn

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