: Auch Hunde machen Leute
„Früher wurde ich oft nicht gegrüßt. Seitdem ich meine Teckeldame Lulu habe, sind meine Beziehungen zu den Menschen breiter geworden.“ ■ Von Mustafa Mansi
Eigentlich wollte ich keinen Hund bei uns zu Hause haben, aber es ist geschehen. Meine Frau hatte einen jungen Teckel gekauft. Ich wußte, ein Hund in der Wohnung bringt uns in eine neue Situation, und wir müssen unser Leben umstellen. Jetzt müssen wir mehrmals überlegen, bevor wir weggehen oder wegfahren. Eine Veränderung in unserem Leben hatte ich erwartet, aber eine Veränderung in dem Verhalten anderer Menschen mir gegenüber, davon hatte ich nicht zu träumen gewagt.
Wir wohnten in einem Hochhaus. Ich habe die Angewohnheit, alle Leute zu grüßen, wenn ich sie im Eingang oder im Fahrstuhl treffe. Ich muß zugeben, es ist manchmal passiert, daß ich keine Reaktion auf meine Begrüßung bekam. Bisher nahm ich immer an, die Leute würden mich nicht hören, da ich allgemein sehr leise spreche. Oder vielleicht hatten sie mich falsch verstanden, wegen meines fremden Akzents. Es kann auch sein, daß sie einen harten Tag hinter sich hatten und nicht mehr fähig waren, ein Wort zu sprechen.
Jetzt allerdings, wenn ich in Begleitung meines Hundes bin und mir Menschen auf der Straße begegnen, habe ich das Gefühl, sie sind plötzlich freundlich geworden. Sie sprechen mit mir über meinen Hund: „Wie heißt er? Was hat er für eine schöne braune Farbe!“ Und das, obwohl der Hund fast meine Hautfarbe hat.
Eine Nachbarin, die früher mit mir kein Wort gesprochen hat, begrüßte mich sehr herzlich, beziehungsweise meinen Hund, als wir uns im Fahrstuhl trafen. Als wir uns verabschiedeten, wünschte sie dem Hund alles Gute. Innerlich habe ich mich gefragt, alles Gute nur für den Hund – und ich?? Als ich einem Freund über meine Erlebnisse mit Hund erzählte, reagierte er mit Humor und gratulierte mir dazu, daß ich die Anerkennung erst durch den Hund bekommen habe.
Im Prinzip muß ich mein Leben in zwei Phasen teilen. Die erste Phase ist mein Leben ohne Hund und die zweite Phase mein Leben mit Hund. Letztes Jahr zu Ostern ging ich eine Zeitung kaufen, der Hund war dabei. Am Kiosk drückte die Verkäuferin mir mit dem Rest des Geldes ein Stück Schokolade in die Hand und wünschte mir „Frohe Ostern!“. Das hat mich sehr gefreut. Ich wollte die Schokolade gerade essen, da schrie sie mir empört zu: „Das ist nicht für Sie, sondern für den Hund!“
Eigentlich wäre es ungerecht, würde ich meine Beziehung zu den Menschen oder der Leute zu mir in meiner ersten Lebensphase so negativ beurteilen. Ich könnte sagen, daß meine Beziehung zu den Menschen oder das soziale Umfeld durch den Hund breiter geworden ist. Die Tierfreunde oder die Menschen, die die Tiere mögen, akzeptieren mich. Jetzt gehöre ich zu ihnen. Im vorigen Jahr sind wir in eine andere Wohngegend gezogen. Wenn ich jetzt mit dem Hund spazierengehe, sind die meisten Menschen sehr freundlich. Bin ich ohne Hund unterwegs, werde ich sofort nach dem Befinden des Hundes gefragt. Heute verbindet mich zu meiner Teckeldame Lulu eine große Zuneigung und Liebe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen