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Auch Elie Wiesel gegen Heitmann

■ FDP nominiert Hamm-Brücher für die Weizsäcker- Nachfolge / Auch Jens Reich kandidiert weiter

New York/Magdeburg (dpa)

Der jüdische Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel hat – wie vor ihm mehrere große jüdische Organisationen in den USA – scharfe Kritik an der Kandidatur des CDU-Kandidaten Steffen Heitmann für das Amt des deutschen Bundespräsidenten geübt. Es sei „schlimm“, daß Kohl „so einen Mann ausgewählt hat“. Dies sei „verletzend für jüdische Menschen.

Seit gestern hat Heitmann eine weitere Konkurrentin. Auf dem kleinen Parteitag der FDP in Magdeburg wurde die frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Hildegard Hamm-Brücher, offiziell zur Kandidatin der FDP nominiert. Stehend spendeten die rund 200 Delegierten der Politikerin Applaus. Frau Hamm-Brücher sagte, es sei höchste Zeit, daß eine Frau für das höchste Amt im Staate ernsthaft kandidiere. Falls aber im Laufe der nächsten Monate ein neuer Anlauf zu einem Kandidaten genommen werden sollte, werde sich die FDP nicht verschließen. Aber als „Pokerfigur“ empfinde sie ihre Kandidatur nicht. Ob FDP-Fraktionschef Solms das auch so sieht? Er jedenfalls erklärte anläßlich der Nominierung erneut, daß er die Hoffnung auf eine gemeinsame Koalitionskandidatur noch nicht aufgegeben habe. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Heitmann- Kritiker Friedbert Pflüger nannte die Nominierung von Frau Hamm- Brücher ein erstes Signal für eine mögliche sozialliberale Koalition in Bonn. Der ehemalige Sprecher von Bundespräsident Richard von Weizsäcker erinnerte daran, daß sich Hamm-Brücher immer für die SPD-FDP-Koalition eingesetzt habe. Die Nominierung durch die FDP müsse zu denken geben. „Treiben wir nicht mit dem Kandidaten Heitmann jeden Tag die FDP ein bißchen näher in Richtung Rau, zur Ampelkoalition?“ fragte Pflüger. Er vertrat erneut die Auffassung, daß Steffen Heitmann in der Bundesversammlung keine Mehrheit finden werde. Derzeit lehnten 41 Prozent der CDU- Bundestagsabgeordneten aus dem Osten Heitmann ab. Zur Kritik aus der Union an seiner Ablehnung Heitmanns erklärte Pflüger, er sei kein Putschist.

Der Ostberliner Arzt und Autor Reich bekräftigte in einem Interview der Hamburger Morgenpost, er werde weiterhin für die Weizsäcker-Nachfolge kandidieren. Auch wies er Spekulationen zurück, er wolle seine Bewerbung im dritten Wahlgang in der Bundesversammlung am 23. Mai 1994 zurückziehen und dem SPD-Kandidaten Rau den Weg freimachen. Er halte es für wichtig, daß ein Ostdeutscher Bundespräsident werde. „Der Mentalitätsgraben, der seit der Vereinigung besteht, muß zugeschüttet werden“, meinte der ehemalige Spitzenkandidat des Neuen Forums. Die Diskussion um das Präsidentenamt dürfe aber nicht nur auf parteipolitischer Ebene geführt werden. „In der Verfassung steht, daß der Bundespräsident den Bundeskanzler ernennt“, sagte Reich. „Ich habe eher den umgekehrten Eindruck.“

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