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„Auch Albaner sind Europäer“

■ Prozeß gegen zwei Albaner wegen versuchtem Totschlages eröffnet

Januar 1996, kalt weht der Wind durch die Neustädter Straßen. In der schummrigen Kneipe „Zum kleinen Butjer“ steht Wirt Wahlers an der Theke. Gäste kommen und gehen. Gegen zwei Uhr nachts dann muß er mit ansehen, wie ein junger Albaner einem Libanesen ein Messer in den Bauch rammt und mit seinem Kumpel davonrennt. Gegen die beiden nächtlichen Kneipengäste wurde gestern im Bremer Landgericht der Prozeß wegen versuchtem Totschlages eröffnet.

Die beiden Tatverdächtigen Ervin I. und Maskim N., beides Albaner, drückten sich gestern eher schweigsam auf der Anklagebank der Strafkammer. Zur Januarnacht im kleinen Butjer hätten sie nichts zu sagen. Das nächtliche Opfer, das den Messerstich nur nach einer achtstündigen Notoperation überlebte, zeigte sich da schon gesprächiger. Gegen zwei Uhr sei er mit dem Albaner Maskim N. ins Gespräch gekommen. Der habe ihn gefragt, wo er herkäme. „Aus dem Libanon“, habe Ziad bereitwillig Auskunft gegeben. Die Antwort habe der Albaner nicht gerade begeistert aufgenommen: „Ich bin Albaner“, den Satz habe der eigenwillige Gast mehrmals wiederholt.

Vom aufflammenden Nationalismus offenbar bedrängt, wollte der Libanese von dem Albaner plötzlich nichts mehr wissen: „Ich hab gesagt, laß mich in Ruhe.“ Geschubst und geschlagen wurde er dann von Maskim N. Das wollte sich der Libanese nicht bieten lassen und schubste zurück. Der Albaner fiel hin: „Dann habe ich ihm hochgeholfen und alles schien okay zu sein.“ Weit gefehlt. „Wir sehen uns“, habe der Albaner ihm beim Gehen noch zugerufen haben, ganz sicher sei er sich aber nicht mehr.

Eine halbe Stunde später aber, so das Opfer im Zeugenstand, tauchte plötzlich der 18jährige Albaner Ervin I. auf. Blondes Haar, dachte sich der Libanese, folglich konnte es nur ein Europäer und kein Albaner sein. Richter Fangk jedoch belehrte: „Auch Albaner sind Europäer“. Zehn Minuten später tauchte der andere Albaner wieder auf. Zeit zu gehen, dachte sich der Libanese. Aber der 18jährige Ervin I. versperrte die Tür, rief „Ich bin auch Albaner“ und stach zu.

Das wollte Ervins Verteidiger, Rechtsanwalt Popal, so nicht stehen lassen. Immer wieder kam er auf den Alkoholkonsum des Niedergestochenen in dieser Nacht zu sprechen. Weit kam die Verteidigung gestern jedoch nicht. Der Prozeß wurde abgebrochen und wird erst am 30. Juli fortgesetzt. flo

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