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Attacke!

■ Bitte überprüfen Sie Ihren Sound/ Herr Blum/Yref/Taegk in der Parochialkirche

Halten Sie sechs Minuten die Luft an, der neue Atemzug wird ein Schrei sein. Das wiederholen Sie täglich zwei Stunden; nach einem Monat begleiten Sie sich dazu auf der Gitarre. Weitere Übungen ermöglichen es Ihnen bald, einfache Texte über das Leben einzubauen, rhythmisch akzentuiert durch Schläge auf verschiedene rostige Bleche. Zur Erholung reißen Sie die Kette Ihrer Klospülung ab und malträtieren damit Ihre inzwischen elektrisch verstärkte Gitarre. Für den geordneten Schwung in den Hüften dabei sollte spätestens jetzt ein Drum- Computer sorgen. Müde der Etüden in Einsamkeit, bitten Sie nun Ihren jugendlichen Vater, mit phosphoreszierenden Farben das, was Sie und er in diesem Augenblick empfinden, mit bloßen Händen aufs Papier zu malen. Des häuslichen Exorzismus nicht genug, empfiehlt es sich, nach weiteren Proben Ihre engsten Freunde mit elektrischen Instrumenten einzubeziehen. Im günstigsten Falle besitzt einer von denen einen Computer, der Ihren Experimentierkreis klanglich und metrisch koordiniert. Für die gruppendynamische Reflexion im Anschluß daran halten Sie das Ganze per Tonband fest. Ermutigt durchs Kollektiv und versehen mit einem verkaufswirksamen Namen, können Sie nun den Schritt auf die Bühne wagen. Keineswegs dürfen Sie sich von der Ignoranz des Publikums beirren lassen, die sind entweder im falschen Konzert oder haben den Raskolnikow noch nicht gelesen. Genügendes Beharrungsvermögen tut dann das übrige.

Sollte wider Erwarten dennoch der Erfolg sich nicht einstellen, kann das nur an Ihrem fehlenden Marketingkapital liegen oder daran, daß die Texte zu wenig am existentiellen Nerv des orientierungslosen Auditoriums gesägt haben, die musikalischen Abläufe doch zu monoton waren und sich nicht an die inzwischen klassischen Prinzipien Kontrast, Kollage, Verdichten und Erlösen hielten, weder Pop-Rock-, Tekkno- noch Heidewitzka-Erwartungen bedienten, oder daran, daß die Dramaturgie Ihrer Performance zu wenig sensationelle Wendungen und die Show, das Outfit nichts für Trendhungrige bot.

Und vielleicht müßten Sie auch mal Ihren Sound überprüfen. Besser noch, Sie gehen in das Konzert »Art Attack« von »Herr Blum/Yref/Taegk« am 11.September um 20.30Uhr in die Parochialkirche, Klosterstraße 67, Berlin-Mitte, ehemals Ost. Ecked Binas

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