: Asynchron zur Raum-Zeit-Linie
betr.: „Einer wartet, einer bleibt“, taz vom 2. 9. 04
Vielen Dank für den schönen Bericht über die Landtagswahlen im fernen Saarland. Fern von Deutschland, fern der Geschichte, fern der Realität. Ich bin gebürtiger Saarländer und habe 25 Jahre dort gelebt, und nie hat auch nur irgendeiner meiner Verwandten, Freunde, Kollegen oder sonst irgendjemand, den ich getroffen habe, „den Rest der Republik“ als „das Reich“ bezeichnet. Ich kann zwar verstehen, dass Sie in Ihrer linkstraditionellen Art ein Gefühl von Rührseligkeit für unterdrückte Kolonialvölker entwickeln, die der Kolonialmacht (so hört sich das für einen normal denkenden Menschen an, wenn sein Heimatland als „das Reich“ bezeichnet wird) skeptisch gegenüber stehen. Sie sollten jedoch auch bedenken, wie negativ der Begriff „Heim ins Reich“ seit 1935 besetzt ist.
Nur weil Sie wahrscheinlich mal an der Demarkationslinie zwischen dem Saarland und dem Rest der Republik standen und einen kurzen Blick über die scharf gesicherte Grenze geworfen haben und vielleicht auch einen Saarländer aus der Ferne gesehen haben, gibt Ihnen das nicht das Recht, die Bewohner eines ganzen Bundeslandes als Deppen und Menschen aus einer anderen Realität darzustellen.
Ich hoffe, da ich mich in Ihrer Sprache ausgedrückt habe (deutsch), dass mein Anliegen verstanden wird und nicht weiterhin über Saarländer berichtet wird, als lebten sie asynchron zur normalen Raum-Zeit-Linie und jenseits von Gut und Böse.
PASCAL SIMON, Hilzingen