: Artifizieller Realismus
Die vierte „Nachtschicht“ von Lars Becker beginnt heute Abend (ZDF, 20.15 Uhr). „Der Ausbruch“ hält den Hamburger Kriminaldauerdienst auf Trab. Neu dabei: Barbara Auer als Psychologin Lisa Brenner
VON UWE FELGENHAUER
Langsam wird die Sache dem Ausbrecher zu dumm: Als seine Geisel sich wegen ihrer Klaustrophobie partout nicht in den Autokofferraum legen will, herrscht er sie an: Das sei doch kein Fahrstuhl oder Kellerloch, sondern nur „ein stinknormaler Kofferraum“. Nicht logisch, aber komisch.
Von solcher Qualität sind viele Drehbuchzeilen in der vierten „Nachtschicht“, die durch lakonischen Wortwitz und grotesk zugespitzte Situationen besticht. Der Ausbrecher ist ein alter Bekannter: Alfons Töfting. In der ersten „Nachtschicht“ tötete er den Filialleiter einer Bank. Dafür bekam er 13 Jahre. Florian Lukas stattet den schießfreudigen Asthmatiker mit nervösem Mutterwitz aus, bei aller Gewaltbereitschaft ist die Figur indes eher komisch denn verachtenswert. Auch der Mitflüchtling und Ex-Disko-Besitzer Willy Nowak (Jan Josef Liefers) wirkt eher sympathisch – das Duo spielt so die eigentliche Hauptrolle.
Hauptkommissar Erichsen (Armin Rohde) steht dieses Mal eine besonders unruhige Nacht bevor. Der seit der ersten Folge bestehende Verdacht, der am Leben leidende Beamte könnte eine halbe Million Euro aus einem Banküberfall beiseite geschafft haben, wird endgültig zur Gewissheit. Töfting will ein großes Stück von diesem Kuchen abhaben, und Nowak möchte seine Finanzen mit Hilfe des Elsässers Gaspard („Delicatessen“-Star Dominique Pinon) aufbessern, der ihn um seine Disko brachte.
Aus den meist überaus gelungen Sequenzen ragt eine als besonders schwach heraus: Ein Meinungsaustausch zwischen Kommissarin Mimi Hu (Minh-Khai Phan-Thi) und einem Vorgesetzten gerät zur Persiflage eines Fernsehdialogs – ein Unfall oder doch eher ein absichtsvoller Kunstkniff des Autors und Regisseurs Lars Becker? Zuzutrauen wäre es ihm.
Neu in der Krimireihe ist Barbara Auer. In der Rolle der Polizeipsychologin und Leiterin des Hamburger Kriminaldauerdienst-Teams um Erichsen, Hu und Schrader (Ken Duken) löst sie Katharina Böhm ab – und wirkt, als sei sie schon lange fester Bestandteil dieses zwischen Milieustudie, Groteske und Thriller oszillierenden Mikrokosmos. Kühle Farben und prägnante Kameraeinstellungen lassen den Genremix recht künstlich erscheinen, nicht zuletzt die Dialoge machen ihn aber auch authentisch: artifizieller Realismus in Reinkultur.