Artenvielfalt in Niedersachsen: Bauern gegen Volksbegehren

Ein Verband will keine Unterschriften für ein Gesetz gegen Artenschwund in Niedersachsen sammeln. Er hat Angst vor Regeln ohne Entschädigung.

Ein Schmetterling, ein Kohlweißling, sitzt auf der Blüte einer Distel

Ach, wie schön: Ein Schmetterling, ein Kohlweißling, sitzt auf der Blüte einer Distel Foto: ImageBroker/imago

BERLIN taz | Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) lehnt das Volksbegehren zum Schutz der Artenvielfalt in Niedersachsen ab. „Ein Gesetz einer amtierenden Regierung ist besser, weil die Bauern dann sicherer einen finanziellen Ausgleich für schärfere Naturschutzregeln bekommen. Initiatoren eines Volksbegehrens können wir nicht für Kompensation verantwortlich machen, die Regierung schon“, sagte Ottmar Ilchmann, AbL-Landesvorsitzender, der taz. Der Verband kämpft für Bauernhöfe, die von den Eigentümern geführt und ökologisch orientiert sind. Seine Stimme hat in der Umweltbewegung bei Agrarfragen großes Gewicht.

Das Volksbegehren in Niedersachsen ist bundesweit bedeutend, da die Landwirtschaft dort so viel einnimmt wie sonst nirgendwo in Deutschland. Die Initiatoren – der Naturschutzbund (Nabu), die Grünen und der Deutsche Erwerbs- und Berufsimkerbund – wollen ab Ende März/Anfang April die nötigen 610.000 Unterschriften sammeln, damit der Landtag in Hannover über den Text entscheiden muss.

Der Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, den Bio-Anteil an der Agrarfläche von derzeit 4 bis zum Jahr 2030 auf mindestens 20 Prozent zu erhöhen. Pestizide sollen in Naturschutzgebieten verboten werden. In 5 Meter breiten Streifen an Gewässern dürften weder konventionelle Ackergifte noch Dünger eingesetzt werden. Den Bauern wäre gesetzlich untersagt, „naturnahe Strukturelemente“ wie Hecken oder Bäume zu beseitigen.

AbL-Chef Ilchmann befürchtet, dass die Landwirte für diese kostspieligen Maßnahmen wenig Kompensationen bekommen, „wenn das jetzt über ein Volksbegehren einer Regierung quasi aufgezwungen wird“. Die SPD-CDU-Regierung in Hannover habe sich unter Druck des angedrohten Volksbegehrens bereits bewegt und den Umweltschützern Angebote gemacht. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sehe „weitreichende Verbesserungen“, die damit möglich wären.

„Steilvorlage für die CDU“

„Bei unklarer Entschädigung bietet das Volksbegehren dem Bauernverband, CDU und FDP eine Steilvorlage, die derzeit besonders große Wut der Bauern auf die bewährten Feindbilder wie Umweltorganisationen und Grüne zu lenken“, warnt Ilchmann. Die vor Kurzem entstandende Bauernprotestbewegung „Land schafft Verbindung“ fange an zu verstehen, dass die Unionsparteien und der von ihnen unterstützte Bauernverband für das Höfesterben und die niedrigen Erzeugerpreise verantwortlich seien. „Ich sehe da schon interessante Ansätze, verkrustete Diskussionen aufzubrechen. Aber wenn in Niedersachsen das Volksbegehren startet, können die üblichen Verdächtigen mit dem Finger zeigen: Da der Nabu, das ist euer einziges Problem.“

Die Initiatoren des Volksbegehrens wiesen Ilchmanns Einwände zurück. „Die Finanzzusagen des Umweltministers Olaf Lies sind völlig vage und unverbindlich“, sagte Hans-Joachim Janßen, Co-Landesvorsitzender der Grünen, der taz. „Es fehlt eine gesetzliche Grundlage. Wir schrei­ben hingegen den finanziellen Ausgleich für Einschränkungen der landwirtschaftlichen Nutzung direkt ins Gesetz zum Volksbegehren.“ Auch die vorgeschlagenen Ziele der Landesregierung seien zu allgemein. Beispielsweise habe sie bisher nicht angegeben, um wie viel Prozentpunkte sie den Anteil des Öko-Landbaus ausbauen wolle.

Auch Holger Buschmann, Chef des Nabus in Niedersachsen, versprach eine Kompensation von Verlusten durch das angestrebte Naturschutzgesetz: „Sollten wirtschaftliche Einbußen für Betriebe entstehen, werden diese selbstverständlich über einen Erschwernisausgleich finanziell ausgeglichen.“

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