Argentinien: Zentralbankchef wieder im Amt
Niederlage für die Regierung in Argentinien. Im Streit mit der Zentralbank muss sie eine Richter-Entscheidung hinnehmen und den geschassten Bankchef wieder einsetzen.
Die Auseinandersetzung zwischen der argentinischen Regierung und der Zentralbank über die Verwendung der Währungsreserven hat sich weiter verschärft. Am Freitag musste die Regierung von Präsidentin Christina Kirchner gleich zwei juristische Schlappen hinnehmen. Richterin María José Sarmiento setzte das Entlassungsdekret der Präsidentin für den Zentralbankchef Martín Redrado außer Kraft. Redrado werde so lange im Amt verbleiben, bis sich der Kongress mit dem Dekret befasst hat, so die Richterin in ihrer Begründung. Redrado nahm umgehend seine Amtsgeschäfte wieder auf.
Zuvor hatte Richterin Sarmiento der Regierung die Verwendung von Reserven der Zentralbank zur Tildung von Auslandsschulden vorläufig untersagt. Redrado hatte sich geweigert, einer Anweisung der Regierung zu folgen und rund 6,6 Milliarden Dollar aus den Reserven der Zentralbank in einen Sonderfonds zu überweisen. Redrado war damit der Auffassung der Mehrheit im Kongress gefolgt, die sich ebenfalls gegen die Verwendung der Devisenreserven für die Schuldendienst ausgesprochen hatte. Seit dem 10. Dezember hat die Regierung von Präsidentin Cristina Kirchner in beiden Kammern keine Mehrheit mehr.
Aus dem Sonderfonds will die Regierung die 2010 fällig werdenden Auslandsschulden von 11,6 Milliarden Dollar begleichen, davon sind allein 3,7 Milliarden nur Zinsen. Die Zentralbank verfügt gegenwärtig über eine Reserve von rund 47 Milliarden Dollar. Der zwischenzeitlich amtierende Vizepräsident Miguel Pesce hatte den Sonderfonds jedoch trotz richterlicher Verfügung eingerichtet.
Ende 2005 hatte Redrado jedoch schon einmal gut neun Milliarden Dollar locker gemacht, um die vom früheren Präsidenten Néstor Kirchner angekündigte Tilgung aller Schulden beim Internationalen Währungsfonds zu finanzieren. Damals betrugen die Reserven knapp 30 Milliarden US-Dollar. Seit 2004 ist Redrado Chef der Zentralbank, im September 2010 läuft seine Amtszeit offiziell ab.
Der Streit geht denn auch keineswegs darum, ob die Auslandsschuld beglichen werden soll oder nicht. Über die weitere Tilgung des Schuldendienstes sind sich Regierung und konservativen Opposition einig. Für den linken Abgeordneten und Filmemacher Pino Solanas ist das Gerangel um Redrado denn auch nicht wichtig. "Das Thema Redrado ist zweitrangig: ich weine ihm keine Träne nach. Er war einer der Schwerter des neoliberalen Menemismus." so Solanas. Er kündigte an, gegen Präsidentin Christina Kirchner Strafanzeige zu stellen, sollte sie versuchen mit Notstandsdekreten die Reserven der Zentralbank für den Schuldendienst einzusetzen.
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