rausgepustet
: Wenn’s doch der Herr Doktor sagt

Für manche*n war die Sache klar: „Wenn der was sagt“, kabelt sinngemäß ein altgedienter Kollege, „braucht man’s nicht zu glauben.“

„Der“, das ist Klaus Püschel, Hamburgs oberster Rechtsmediziner, und gesprochen hatte er mit der Hamburger Morgenpost: Und nicht das gesagt, was als Mainstream der aktuellen Pandemie-Debatte gelten darf: Das Corona-Virus, so Püschel, „beeinflusst in einer völlig überzogenen Weise unser Leben. Das steht in keinem Verhältnis zu der Gefahr, die vom Virus ausgeht. Und der astronomische wirtschaftliche Schaden, der jetzt entsteht, ist der Gefahr, die von dem Virus ausgeht, nicht angemessen.“

Nun ist der Mann zwar durchaus geschäftstüchtig, nicht nur als (Mit-)Verfasser von diversen Bänden „Faszinierende Fälle aus der Rechtsmedizin“. Auch dieser Debattenbeitrag selbst: Da hat doch einer verstanden, wie das geht mit dem Auffallen im Diskurs, mit der Aufmerksamkeit eines leicht abzulenkenden Pub­likums auch. Ein Ökonom ist er trotzdem nicht, und so war sein eigentlicher Punkt dann doch ein medizinischer: „Ohne Vorerkrankung ist in Hamburg an Covid-19 noch keiner gestorben.“

Alle in Püschels Keller obduzierten Corona-Opfer hatten demnach „Krebs, eine chronische Lungenerkrankung, waren starke Raucher oder schwer fettleibig, litten an Diabetes oder hatten eine Herz-Kreislauf-Erkrankung“. Der Mopo-Kollege vergaß leider zu fragen: Wie viele waren es denn, da auf ihrem Obduktionstisch? Einer? Alle?

Nun hat Püschel auf seiner Seite durchaus seriöse Quellen, deren Zahlen bislang nicht belegen, was gefühlt so eindeutig unsere Gegenwart bestimmt: Nein, die Mortalität in Deutschland ist nicht signifikant höher. Allerdings ist in den Vergleichsjahren auch nicht annähernd vergleichbarer medizinischer Aufwand betrieben worden.

Den Bogen hat der alte Medienfuchs insofern dann doch überspannt. Die lustvolle Verkürzung, das gezielte Missverständnis – an Corona stirbt niemand, hat der Doktor gesagt – hätte er kommen sehen müssen; zitiert, teils auch zum Kronzeugen erhoben, haben ihn seither die Welt und der Münchner Merkur, RT Deutsch und ganz unzweifelhaft Verschwörungsgläubige.

Am Mittwoch druckte dann die F.A.Z. ein Interview mit Püschel ab, nicht bloß Soundbytes. Da klingt er deutlich differenzierter, weniger nach Sensation um ihrer selbst willen: „Es gibt nicht ‚den‘ Corona-Toten, wie es die Statistik suggeriert“, sagt er etwa. Und: „Es gibt stattdessen sehr viele Todesursachen in Zusammenhang mit Corona.“ Und schließlich, im Zusammenhang mit der Gefährlichkeit für Menschen unter 50: „Um das wirklich abschätzen zu können, müssen wir noch abwarten, bis dazu Obduktionsergebnisse in größerer Zahl vorliegen.“

Wie war das noch mal mit dem Medium und der Botschaft?

Alexander Diehl