Auf dem Platz mit dem Erzfeind

VERSÖHNLICH Beim Turnier von Discover Football spielen tibetanische Fußballerinnen zusammen mit Frauen aus China

AUS BERLIN SEBASTIAN RAVIOL

Nach und nach trudeln die Spielerinnen im Hotel ein. Sie sind müde, viele Stunden Flug liegen hinter ihnen. Und doch wird es laut im Aufenthaltsraum, als die argentinischen Spielerinnen die tibetischen und afrikanischen treffen. Sie haben sich noch nie gesehen, umarmen sich aber herzlich und reden miteinander, als würden sie sich seit Jahren kennen. „Wir sind einfach froh, hier sein zu dürfen“, sagt Phuntsok Dolma.

Mit der Teilnahme am Turnier verwirklichen sich die Kapitänin und ihre tibetische Mannschaft einen Traum. „Wir sind das erste Frauenfußballteam Tibets.“ Es ist das erste Mal, dass die Mannschaft im Ausland spielt und ein tibetisches Team auf ein chinesisches trifft. In Tibet ist es verboten, die tibetische Flagge zu tragen. „Beim Turnier werden die Spielerinnen voller Stolz mit der Flagge auf dem Trikot spielen und sechs Millionen Tibeter repräsentieren“, sagt Cassie Childers. Die Amerikanerin gründete vor fünf Jahren das Team, „um Tibet und den Frauen zu helfen“. Die meisten Spielerinnen haben schlimme Erlebnisse hinter sich. „Als Kinder wurden sie von ihren Eltern von Tibet nach Indien geschickt, um zur Schule zu gehen. Dabei wandern sie 30 Tage über den Himalaja, viele sterben dabei.“ Eine Rückkehr nach Tibet ist ausgeschlossen. Sie gelten dann als staatenlos, leben wie im Exil. Die gemeinsame Geschichte und der Zusammenhalt in der Mannschaft helfen den Frauen deshalb besonders: „Wir sind wie eine glückliche Familie, wir lieben uns“, sagt Dolma. Und demnächst vielleicht noch mehr, wenn es Tibet schafft, unter das Dach der Fifa zu schlüpfen. Tibet will einen Antrag stellen.

Auch beim argentinischen Team „La nuestra Futból Femenino“ (Unser Frauenfußball) hat sich ein starker Zusammenhalt entwickelt. Gegen alle Widerstände begannen die Spielerinnen vor acht Jahren im argentinischen Slum „Villa 31“, auf einem Fußballplatz in Buenos Aires zu kicken. „Die Männer wollten das nicht, haben Steine nach uns geworfen“, berichtet Juliana Romàn Lozano. Es passte nicht in die Vorstellungswelt von Machos, dass Frauen spielen. „Wir haben uns zusammengetan und einen sicheren Platz daraus gemacht“, umschreibt Lozano den Beginn einer Erfolgsgeschichte. Heute ist der Club „La nuestra Futbol Femenino“ ein Vorbild für Fußballerinnen in vielen argentinischen Slums. Die Spielerinnen sagen ihren Männern nun, dass sie während des Trainings auf die Kinder aufpassen müssen. Eine wichtige Entwicklung, betont Lozano: „Jungs, die das sehen, werden als Männer eine bessere Einstellung zum Frauenfußball haben.“ Anderen Fußballerinnen, die um ihre Anerkennung kämpfen müssen, rät sie: „Kommt zusammen, das ist der Schlüssel. Gemeinsam soll man für seine Rechte kämpfen.“ Wenn die Frauen heute auf dem Fußballplatz sind, stehen die Männer am Spielfeldrand – und feuern sie an.

Auch das Team Peachwise aus Serbien kämpft mit Vorurteilen und Konventionen. Für Frauen mit allen sexuellen Orientierungen sei ihr Verein offen, sagt Jelena Celebic. „Wird eine solche Orientierung aber bekannt, kann man in Serbien seinen Job verlieren“, sagt Celebic. Deshalb werbe ihr Verein nicht offensiv mit seiner Ausrichtung. „Wir möchten Frauen aber einen sicheren Raum bieten, in dem sie sich ausleben können. Wir stellen keine Fragen“, sagt Celebic. Die Spielerinnen seien größtenteils lesbisch oder bisexuell und „kommen aus allen Bereichen der Gesellschaft. Eine Lehrerin, eine Polizistin, irgendwie funktioniert das perfekt zusammen, weil wir unsere Passion Fußball miteinander teilen.“ Folglich sei es auch bei diesem Turnier in Berlin „das Größte, hier frei mit anderen Spielerinnen zu sitzen. Das können wir in unserem Land nicht“, sagt Celebic. Für sie ist das Turnier eine seltene Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen.

Solche Möglichkeiten gebe es nicht oft, bemängelt auch Anne Fischer. Sie gründete „Frau am Ball“, den ersten Berliner Verein, in dem Frauen mit und ohne Behinderung zusammen spielen. „Wir sind eine inklusive Mannschaft, aber es mangelt an inklusiven Möglichkeiten“, sagt Fischer. Die meisten ihrer Spielerinnen haben eine psychische Beeinträchtigung, leiden unter Depressionen oder Psychosen. Auch Spielerinnen mit einer Lernbehinderung gibt es im Kader. „Unsere Gruppe wird immer bunter und größer“, freut sich Fischer. Das Turnier „wird ein großartiges Erlebnis“.