STADT RECHERCHIEREN
: Lärm von Rädern

Super Holzstraße! Oder eher: Verdammte scheiß Holzstraße?

Berlin ist ganz schön selbstbezogen. Darin fühlte ich mich wieder bestätigt, als ich neulich in der Breiten Straße war. Dort ist das Zentrum für Berlin-Studien, wo es eine Art Workshop gab. Es ging darum, wie man interessante Sachen über die Stadt rausbekommt und was sie alles haben zum Thema. Eine Angestellte zeigte uns Prospekte von der Komischen Oper aus den 70ern und Anzeigenblätter aus Lichterfelde-Süd. Sie sammeln Schülerzeitungen und Vereinshefte. Viele Räume sind öffentlich nicht zugänglich, aber die Frau sagte, dass die Mitarbeiter einem gern alles Mögliche aus den Lagern holen. Es ist wohl weltweit das größte Archiv zum Thema Berlin, steuerfinanziert, alle Bürger sind eingeladen, dies zu nutzen, sagte sie.

Dann gingen wir in den Kartenraum, wo es auch alte Postkarten gibt. Ein Angestellter holte aus einer Holzschublade seine Lieblingspostkarte – mit Schafen auf dem Tempelhofer Flugfeld, in Schwarz-Weiß. Er zeigte auch einen Berliner Fahrradplan von 1902. Da hatten Straßen verschiedene Farben, damit die Leute erkannten, welche Straße zum Beispiel mit Holz gepflastert ist. Ich weiß nicht, ob die Radfahrer von 1902 dachten: Super, eine Holzstraße, oder eher: Verdammte scheiß Holzstraße? Friedrichstraße und Leipziger Straße indessen waren rot, das hieß: Hier dürfen keine Radfahrer fahren. Wegen Lärm, damit die Pferde nicht scheu werden. Denn die Räder der Drahtesel damals machten wohl Lärm.

Ich dachte daran, wie ich zur Breiten Straße gekommen war. Die Leipziger und Verlängerung entlang, bis ich die Gelegenheit sah zu überqueren. Ich rannte, die Autopulks nahten. Als ich den Bürgersteig gegenüber erreichte, zählte ich die Fahrspuren: in jede Richtung drei plus Busspur. Das ist mehr als bei vielen Autobahnen der Welt, dachte ich. Vielleicht sollte man ein paar Straßen in Berlin wieder mit Holz pflastern. GIUSEPPE PITRONACI