Lovely Luther

POPSTAR Der Thesenanschläger wird gefeiert. Sein finsteres Frauenbild stört die wenigsten

VON HANNA VOSS

Für einen kurzen Moment auch mal Martin Luther sein – der Kirchentag macht es möglich: Eine große Pappfigur steht vor einem Stand der evangelischen Kirche mit seinen 95 Thesen in der Hand und einem Loch. Da, wo der Kopf sein sollte. Zehn Meter weiter präsentieren junge Frauen auf Plakaten orangefarbene T-Shirts mit der Aufschrift „Luther 95 Wittenberg 1517“. Der Reformator wird wie ein Popstar gefeiert. Ein Popstar, der sich nicht nur antisemitisch, sondern auch frauenfeindlich geäußert hat.

„Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden“, „Will die Frau nicht, so komm’ die Magd“, „Laß sie nur todt tragen, sie sind darum da“: Martin Luther meinte diese Sätze vermutlich ebenso ernst wie seine Ausführungen über das Brennen von Synagogen.

Ist das entschuldbar? „Er war ein Kind seiner Zeit“, sagt Christiane Schulz vom „Projektmanagement Luther 2017“ und strahlt. „Sicherlich hatte er kein feministisch aufgeklärtes Frauenbild. Damit hätte er sich ins Abseits gestellt.“ Eva-Maria Bacheler, baden-württembergische Landesfrauenpfarrerin und feministische Theologin, findet nicht, dass sich Luthers Haltung mit historischem Kontext relativieren lässt. „Luthers Verhältnis zu Frauen war höchst ambivalent“, sagt sie. „Errungenschaften der Reformationen haben Frauen in der ersten Phase begünstigt, die Impulse wurden dann aber wieder von Männern unterdrückt.“ Luther habe zwar die Rolle der Frau als Mutter gestärkt – sie aber auch darauf beschränkt. „Ein großer Frauenfreund war er sicher nicht“, sagt Bacheler. Doch sei es möglich, dass seine Ehe mit Katharina von Bora Luther verändert habe. „Vorher hatte er als Mönch nun einmal wenig mit Frauen zu tun. Seine Käthe dagegen hat er verehrt.“ Sie gebar nicht nur sechs Kinder, sondern führte auch die Geschäfte. Ihr Mann verstand nichts vom Geld.

Eine Besucherin blickt abschätzig auf eine Büste von Luther. Sie dreht den breiten roten Ring auf ihrem Zeigefinger hin und her und sagt: „Luthers Worte gehen über die gewöhnliche Abwertung der Frauen hinaus.“ Sie selbst habe sogar einmal überlegt, dem protestantischen Glauben deshalb den Rücken zu kehren. Jetzt steht sie doch wieder hier, singt und betet. Immerhin habe er ja einst über Katharina gesagt: „Wenn ich noch einmal freien sollte, wollt ich mir ein gehorsam Weib aus einem Stein hauen, denn ich bin verzweifelt an aller Weiber Gehorsam“. Sie stockt irritiert und geht am Papp-Luther vorbei. Ohne den Kopf hindurchzustecken.