Unesco warnt vor Zerstörung „einzigartiger Stätte“

KRIEG Eine strategisch wichtige Stadt: Im vom IS eroberten Palmyra treffen mehrere wichtige Straßenverbindungen zusammen

DAMASKUS/PARIS taz | Nach tagelangen Kämpfen hat die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die gesamte syrische Wüstenstadt Tadmor, die auch Palmyra genannt wird, unter ihre Kontrolle gebracht. Die Regierungstruppen hätten sich von allen Positionen in der Stadt und ihrer Umgebung zurückgezogen, erklärten die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und andere Aktivisten am Donnerstag.

„Die IS-Kämpfer sind in allen Teilen von Tadmor, auch nahe der archäologischen Stätte“, sagte der Chef der Beobachtungsstelle, Rami Abdel Rahman. Die UN-Kulturorganisation Unesco rief dringend zur Rettung der einzigartigen kulturellen Stätte auf. „Palmyra ist eine außergewöhnliche Welterbestätte, und jegliche Zerstörung in Palmyra wäre nicht nur ein Kriegsverbrechen, sondern auch ein enormer Verlust für die Menschheit“, warnte Unesco-Generaldirektorin Irina Bukova am Donnerstag in einer Videobotschaft. Sie forderte die internationale Gemeinschaft einschließlich des UN-Sicherheitsrates sowie religiöse Führer auf, sich für die Beendigung der Gewalt einzusetzen.

Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Bei seinem Vorschmarsch im Irak hatte der IS neben seinem Zerstörungswerk im Museum von Mossul unter anderem auch Teile der antiken assyrischen Stadt Nimrod zerstört. Mindestens 28 Klöster, Tempel, schiitische Moscheen und anktike Kulturdenkmäler fielen den Extremisten nach Angaben des irakischen Museums für Altertümer zum Opfer.

Für den IS ist die Eroberung der Stadt Tadmor nach der Einnahme der irakischen Provinzhauptstadt Ramadi bereits der zweite große Erfolg innerhalb einer Woche. Der Fall von Tadmor könnte militärisch gesehen weitreichende Folgen haben, denn die Stadt liegt an der Hauptverbindungsstraße zwischen dem Euphrat und Deir al-Sor im Osten und sowie Homs und der Hauptstadt Damaksus im Westen des Landes. Sollt es dem IS gelingen, die letzten Bastionen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad im Osten zu zerschlagen, würde der IS ein Gebiet kontrollieren, das von der Provinz Homs über den Grenzübergang Abu Kamal in der Provinz Deir al-Sor bis in die irakische Provinz Anbar mit der Stadt Ramadi reicht.

Möglich wurde die Eroberung von Tadmor vermutlich, weil das Regime in den vergangenen Wochen an anderer Stelle stark unter Druck stand: in der nordwestsyrischen Provinz Idlib. Dort war es einem Bündnis mehrerer Rebellengruppen gelungen, die gleichnamige Provinzhauptstadt und weitere Positionen des Regimes zu erobern. Dies führte dazu, dass das Regime sich genötigt sah, militärische Verstärkung für Gegenoffensiven in die Region zu schicken. Vermutlich war davon auch Tadmor betroffen. B.S.