Kulturelles Erbe, vom IS bedroht

Kunsthistorisch gesehen, verschmolzen in der Oasenstadt Palmyra Ost und West

Es war die Palme, die der antiken Stadt Palmyra ihren Namen gab. Diese liegt in Syrien am Rande einer Oase mit Dattelhainen und Gärten, die heute zu der modernen Stadt Tadmor, auch Palmyra genannt, gehören. Wenn es also derzeit heißt, der Islamische Staat (IS) sei in die Oasenstadt Palmyra eingedrungen, ist damit Tadmor gemeint, wo die Extremisten ein Regierungsgebäude und ein Wasserwerk erobert haben. Allerdings wurde die antike Stätte, die seit 1980 auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes steht, bereits durch Gefechte in Mitleidenschaft gezogen. Angesichts der Zerstörung von Kulturgütern im Irak durch den IS hat die Unesco bereits zum Schutz von Palmyra aufgerufen.

Die Lage des alten Palmyra trägt zu seinem besondern Reiz bei. Das Ruinenfeld liegt in freier Natur, die Grabtürme außerhalb der Stadtmauern erstrecken sich auf Hügeln bis zum Horizont, ehe sie im Dunst verschwimmen. Farben sind rar, das Ocker des Sandes und der Steine konkurriert nur mit dem hellen Blau des Himmels. Die in der Hitze flirrende Luft verdichtet sich gelegentlich zu einer Fata Morgana.

Ihre Blütezeit erlebte die Stadt nordöstlich von Damaskus in der syrischen Wüste unter den Römern vom ersten bis zum dritten Jahrhundert. Schon als die Eroberer aus Rom anrückten, war Palmyra eine bedeutende Oasenstadt und Stützpunkt des internationalen Handels, der vom Römischen Reich bis nach Asien reichte. Im Gegensatz zu anderen von den Römern eroberten Gebieten kontrollierte hier die ansässige Geschäftswelt weiterhin das politische Leben und drückte der Stadt ihren eigenen kulturellen Stempel auf.

Davon zeugen heute die Hinterlassenschaften jener Periode. Eine Säulenallee bildete die zentrale Achse der Stadt, mit Seitenstraßen, zahlreichen Tempeln, einem Versammlungsplatz und Wohnvierteln. Der Baal-Tempel gilt als eines der wichtigsten religiösen Gebäude des ersten Jahrhunderts, die Anlage insgesamt als eine der bedeutendsten im Nahen Osten. Doch kunsthistorisch gesehen, verschmolzen Ost und West: Zu den griechisch-römischen Elementen kamen regionale und persische Einflusse; Inschriften waren in Aramäisch, Latein und Griechisch verfasst.

Das Ende kam 272, als Königin Xenobia versuchte, ihre Herrschaft in römische Gebiete hinein auszuweiten. Der Preis war die Zerstörung der Stadt durch die Römer. 1.743 Jahre später droht nun auch den verblieben Ruinen das Aus. BEATE SEEL